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Veröffentlicht am 14­.11.2015

Wir sind Kirche-Bilanz der Familiensynode 2015

Konkrete Enttäuschung – synodale Erwartung

Die konkreten Ergebnisse der beiden Bischofssynoden in Rom zu Ehe und Familie sind mager und enttäuschend, besonders für geschiedene Wiederverheiratete und für Homosexuelle. Doch Franziskus scheint es trotz aller konservativen Gegenkräfte gelungen zu sein, synodale Prozesse in Gang zu setzen, die aber auf allen Ebenen weitergeführt werden müssen. Die Reformarbeit hat also erst begonnen, so die Bilanz von CHRISTIAN WEISNER, der beide Synoden in Rom für „Kirche In“ verfolgt hat.

Der erste Blick auf das Abschlusspapier „Relatio finalis“ der Synode 2015 mag enttäuschend sein. Auch die Scharmützel am Rande dieser Synode werfen kein gutes Licht auf die Kollegialität der Bischöfe, die erst mühsam den von Franziskus gewollten konzilsgemäßen Weg des offenen Dialogs wieder lernen müssen, den die beiden Vorgängerpäpste 35 Jahre lang unterdrückt hatten. Die dreiwöchigen Verhandlungen in der Synodenversammlung haben deutlich gemacht, dass die kulturellen und auch theologischen Unterschiede zwischen den verschiedenen Teilen der Weltkirche viel größer sind, als zu erwarten war. Ein schwieriger Lernprozess, und das in aller Öffentlichkeit.

Dass alle 94 Abschnitte der „Relatio finalis“ angenommen wurden, manche äußerst knapp, ist nur möglich gewesen, weil zu kontroverse Themen wie die Homosexualität ganz ausgeklammert wurden. Der sehr allgemein gehaltene Text zeigt, wie wenig Klarheit und Einheitlichkeit über die Theologie der Ehe und die Ehe- und Familienpastoral vorhanden ist. Die Synode war nicht bereit, das überkommene Verständnis des Ehesakraments wenigstens zu differenzieren oder das Ideal der Unauflöslichkeit von seiner gnadenlosen Verrechtlichung zu befreien. Konkrete Handlungsanweisungen für die pastorale Praxis wurden nicht gegeben.

Die großen Probleme wie Flucht, Gewalt und prekäre Arbeitsverhältnisse wurden zu wenig angesprochen und als existenzielle Probleme wahrgenommen. Wie soll denn ein Familienleben geplant werden, wenn die Grundlagen dafür fehlen? Aber die Kirche verabschiedet sich mit dem Synodenpapier von einem idealisierenden Familienbild und nimmt wahr, dass es überall Krisen geben kann. Und sie will nicht länger Richterin, sondern Begleiterin der Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen sein. Eine rigoristische Sprache und der Begriff „objektiver Stand der Sünde“ für geschiedene Wiederverheiratete werden vermieden. Betont wird die besondere Wertschätzung des Gewissens und die Notwendigkeit einer „differenzierten Pastoral“. Vor-, außer- und zivileheliche Beziehungen werden wenigstens indirekt geduldet, wenn auch als Vorstufen zur christlichen Ehe relativiert. Die „Berufung der Familie“ wird anderen „Berufungen“ gleichgestellt, eine erste Aufwertung.

Ein winziger Türspalt

Ein bemerkenswertes Signal gab die von Kardinal Christoph Schönborn moderierte deutschsprachige Gruppe, die alle Texte einstimmig verabschiedete. Mit Verweis auf Thomas von Aquin mahnt die Gruppe „die Anwendung der Grundprinzipien mit Klugheit und Weisheit auf die jeweilige, oft komplexe Situation“ an und erkennt an, dass sich die „kirchliche Ehelehre geschichtlich entwickelt und vertieft“ hat. Im Umgang mit Paaren, die nach einer Scheidung wieder geheiratet haben, ist ein winziger Türspalt geöffnet worden, dem sich auch Kardinal Gerhard Ludwig Müller, der Leiter der römischen Glaubenskongregation, nicht verweigert hat. Ein erster Schritt, dass theologische Weiterentwicklung nötig und möglich ist.

Die Homosexuellen sind sicher besonders enttäuscht, denn die Synode spricht sich gegen die Anerkennung von Lebensgemeinschaften aus. Sie bleibt auf dem Stand des Katechismus von 1993 stehen, in dem ebenfalls nur von Respekt die Rede war. Ein klares Wort zur Diskriminierung, Verfolgung und Tötung von Homosexuellen in vielen Ländern fehlt. An der Enzyklika Humanae Vitae wird halbherzig festgehalten, die Ehelehre von Johannes Paul II. erneut beschworen. Die Bemerkungen zur Gendertheorie sind inakzeptabel.

Dass die Diskriminierung von Frauen in der Kirche dazu beiträgt, die Missachtung und Misshandlung von Frauen in vielerlei Art stützen, hat in mutiger Weise der kanadische Erzbischof Paul-André Durocher angesprochen und gleichzeitig eine Debatte über die Öffnung des Diakonats für Frauen gefordert > mehr. Diesmal noch konnten viel zu wenige Frauen und Ehepaare innerhalb der Synodenversammlung mitreden, geschweige denn mitentscheiden. Die Sicht der jungen Menschen, die die Zukunft der Kirche sind, wurde ausgeklammert. Die Erfahrungen der Priester, die geheiratet haben, waren nicht gefragt. Die zuversichtlich stimmende Bitte der deutschsprachigen Arbeitsgruppe um Vergebung wurde nicht in das Schlussdokument aufgenommen, hätte aber einer Kirche, die das Jahr der Barmherzigkeit begehen wird, gut angestanden.

Das Paradox der Synode

Franziskus hat die Bischöfe immer wieder eingeladen, neue Wege zu gehen, doch die Bischöfe konnten sich nur auf ein lasches Kompromisspapier einigen, dessen Tragfähigkeit sich erst noch erweisen muss. Jetzt ruhen alle Hoffnungen gerade auch der Reformer wieder auf dem Papst. So will es die im Kirchenrecht festgeschriebene hierarchische Struktur der römisch-katholischen Kirche. An Franziskus wird es nun liegen, die im Abschlussbericht der Bischöfe versteckten Aussagen, die auf notwendige Reformen hinweisen, umzusetzen und Öffnungen einzuleiten, die er in seinen vielen Katechesen, Predigten und Interventionen aufgezeigt hat.

In seiner Abschlussansprache sagt er, und das gibt Anlass zu berechtigten Hoffnungen: „Die Erfahrung der Synode hat uns auch besser begreifen lassen, dass die wahren Verteidiger der Lehre nicht jene sind, die den Buchstaben verteidigen, sondern die, welche den Geist verteidigen; die nicht die Ideen, sondern den Menschen verteidigen; nicht die Formeln, sondern die Unentgeltlichkeit der Liebe Gottes und seiner Vergebung.“ Und er verurteilt „die geschlossenen Herzen, die sich oft sogar hinter der Lehre oder guten Absichten der Kirche verstecken, um auf dem Stuhl des Mose manchmal mit Überlegenheit und Oberflächlichkeit über schwierige Fälle und verwundete Familien zu Gericht zu sitzen“. Gesetze sind für den Menschen gemacht – nicht umgekehrt, so Franziskus. Für ihn ist das Evangelium ein „Zeugnis gegen die, welche es ‚indoktrinieren‘ und zu toten Steinen machen wollen, mit denen man die anderen bewerfen kann.

Die 14. Ordentliche Synodenversammlung ist beendet, aber die Synode der Bischöfe, die vor genau 50 Jahren von Papst Paul VI. als permanentes kollegiales Leitungsgremium eingesetzt worden ist, muss wieder an Bedeutung gewinnen. Dies haben sowohl der Papst als auch Kardinal Schönborn am Tag des Synodenjubiläums in Rom sehr deutlich bekräftigt.

Die reformwilligen Bischöfe weltweit sind jetzt gefordert, die Deutungshoheit über den Weg der Kirche nicht den von Angst besessenen Gegnern jeder Reform zu überlassen. Sie stehen in der Pflicht, das synodale Element auf allen kirchlichen Ebenen auch in ihren Ländern zu praktizieren. Und das Kirchenvolk muss sich bewusst werden, dass das „gemeinsame Priestertum aller Getauften“ nicht nur der Kirchenleitung, sondern allen die Verantwortung für die Zukunft der Kirche auferlegt. Die Enttäuschung wie nach dem 2. Vatikanischen Konzil, als die Reformer glaubten, sie könnten den Reformresistenten Zugeständnisse machen und die weitere Entwicklung werde schon in ihre Richtung gehen, darf sich nicht wiederholen.

„Papst Franziskus hat uns während der Bischofssynode in Rom aufgezeigt, dass der Weg der Kirche in die Zukunft ein Weg des synodalen Miteinanders sein muss“, so der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx nach der Synode. Die Bischofssynode habe „Handlungsperspektiven eröffnet und Impulse zum theologischen Weiterdenken gegeben“, heißt es in der Schlusserklärung der deutschen Bischöfe, die im November 2015 ihren Ad limina-Besuch im Vatikan haben, der sicher ganz anders verlaufen wird als der letzte im Jahr 2006, als Papst Benedikt im Amt war. Am 8. Dezember beginnt das Heilige Jahr der Barmherzigkeit, das auch Gerechtigkeit bringen muss. Und die Synode besteht weiter und muss weitergehen!






Erzbischof Paul-André Durocher (Kanada) zum Frauen-Diakonat
Auf der Synode in Rom hat in mutiger Weise der kanadische Erzbischof Paul-André Durocher (Bistum Gatineau) als einziger angesprochen, dass die Diskriminierung von Frauen in der Kirche dazu beiträgt, die Missachtung und Misshandlung von Frauen in vielerlei Art stützen. Und gleichzeitig hat er eine Debatte über die Öffnung des Diakonats für Frauen gefordert.

Durocher bezeichnete den Diakonat der Frau als notwendiges Zeichen gegen die Gewalt gegen Frauen. Papst Johannes Paul II. habe in seinem Schreiben "Familiaris consortio" darauf gedrungen, sich gegen Angriffe auf die Würde der Frauen einzusetzen. "Leider erleiden Frauen noch dreißig Jahre später Diskriminierung und Gewalt durch die Hände von Männern, eingeschlossen ihre Ehegatten." …Die jüngsten Statistiken der Weltgesundheitsorganisation seien erschreckend. "Noch heute sind fast ein Drittel der Frauen auf der Welt Opfer ehelicher Gewalt.“ Durocher forderte, die Synode solle klar zum Ausdruck bringen, "dass eine korrekte Interpretation der Heiligen Schrift niemals die Rechtfertigung der Beherrschung von Frauen durch Männer erlaubt". Die Bischöfe müssten besonders bekräftigen, dass die neutestamentlichen Aussagen des Apostels Paulus zur Unterwerfung der Frau keinerlei Gewalt begründen dürften.

Erzbischof fordert Debatte über Frauendiakonat Kanadischer Erzbischof fordert Synode zum Einsatz für Würde der Frau auf
> katholisch.de 7.10.2015

Blog von Erzbischof Durochet (franz.)
http://chanteetmarche.blogspot.de/2015/10/jour-3-synode.html

Deacons and Synod 2015 Oct 7
https://billditewig.wordpress.com/category/deacons/

Interviews mit Erzbischof Durochet(engl.)
> 3 Minuten > 14 Minuten)

Join Archbishop Durocher and Urge the Synod to Consider Greater Roles for Women in the Church


Zuletzt geändert am 20­.01.2016