| |
Veröffentlicht am 19­.07.2020

150 Jahre „Pastor aeternus“

150 Jahre unfehlbarer Papst - Erstes Vatikanisches Konzil am 18. Juli 1870 mit der Konstitution „Pastor aeternus“ (der ewige Hirte).

Seit 150 Jahren kann der Pontifex für sich in Anspruch nehmen, in Lehrfragen über Glauben und Sitten unfehlbar, also auch unwiderruflich zu entscheiden. Die Vollmacht dazu verlieh ihm das Erste Vatikanische Konzil am 18. Juli 1870 mit der Konstitution „Pastor aeternus“ (der ewige Hirte).

 

Stellungnahme von Magnus Lux für Wir sind Kirche

1.
Maßgeblich für die Kirche ist die Bibel. Dort heißt es: "Einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder und Schwestern." Und weiter: "Auch sollt ihr niemanden auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel" (Mt 23,8f). Es heißt nicht: Alle sind gleich - einer ist gleicher. Der Bischof von Rom nennt sich nicht nur Papa, d.h. Vater, sondern "heiliger Vater", ein Titel, der in der Eucharistiefeier Gott meint: "In Wahrheit ist es würdig und recht, dir, Herr, heiliger Vater, immer und überall zu danken" (Präfation).
Die beanspruchte Sonderstellung des Papstes ist biblisch nicht belegt.

2.
Ein weiterer Titel des Papstes lautet: Stellvertreter Christi. Er wird mit dem Wort von Jesus begründet: "Du bist Petrus, der Fels, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen" (Mt 16,18). Das bedeutet aber nicht, dass der "Fels" frei verfügen kann. Dieser Titel legt nahe, dass alle Aussagen des Papstes glaubensrelevant wären. Papst Franziskus reiht ihn unter "historische Titel" ein. Unter seinem Namen steht im Päpstlichen Jahrbuch nur noch: "Bischof von Rom".

3.
Unfehlbar ist nur Gott. Kein Mensch kann sich anmaßen, unfehlbar zu sein; denn damit stellt er sich auf eine Stufe mit Gott. Das System römische Kirche kann sich nicht selbst zum Glaubenssatz erheben. Zwar verspricht Jesus: "Der Geist der Wahrheit wird euch in der ganzen Wahrheit leiten" (Joh 16,13), aber das kann der Papst nicht auf sich allein beziehen; denn "Geistliche" sind alle Getauften. Die befreiende Botschaft Jesu vom Reich Gottes kann nicht nach dem katholischen Motto "Schrift und Tradition" beliebig erweitert oder gar geändert werden. Das evangelische "Allein die Schrift" greift freilich zu kurz; denn es ist nötig, die Botschaft zu verstehen, sie ins jeweils Heute zu übertragen und vor allem vorbildhaft zu leben. Statt einfach vorzuschreiben, was zu glauben sei, ist es erforderlich, dass Kirchenleitung und Kirchenvolk gemeinsam nach dem suchen, was Menschen heute trägt.


4.
Sicher gibt es eine  "Lehre der Kirche". Aber es muss doch gefragt werden, wer sie mit welcher Legitimation festgelegt hat bzw. ob sie überzeitlich für immer so zu gelten habe. Die Lehre der Kirche hat sich doch im Laufe der Jahrhunderte ja immer wieder geändert, denn sie dient dazu, den Glauben in der jeweiligen Zeit auszusagen und damit lebbar zu machen. Selbst wenn behauptet wird, etwas sei "göttliches Gesetz", darf gefragt werden: Wer hat es dazu gemacht? Im Neuen Testament wird ein liebender Gott verkündet, der die Menschen einlädt und sie auch dann nicht fallen lässt, wenn sie falsch gehandelt haben, wie uns das Gleichnis vom verlorenen Sohn und dem barmherzigen Vater zeigt. Gott ist kein unerbittlicher Gesetzgeber. Schon im Ersten Testament sind die 10 Gebote "Weisungen", also Wegweiser auf dem richtigen Weg.

5.
Von einer "Diktatur des Relativismus" zu reden wie Benekikt XVI. ist frag-würdig, also der Frage würdig, ob das denn so stimmt. Gott allein ist die Wahrheit, wir Menschen können uns immer nur schrittweise an diese Wahrheit herantasten, und zwar relativ, d.h. in Beziehung miteinander. Wir sind keine Gott-Besitzer, sondern Gott-Sucher. Unsere Sprache kann nie das erfassen, was mit Gott gemeint ist. Karl Rahner spricht vom "absoluten Geheimnis, Gott genannt". Wenn jemand meint, er habe Gott erfasst, dann ist äußerste Vorsicht geboten; denn dann hat er Gott wohl zu einem Götzen gemacht. Unsere Sprache ist gesellschaftlich bedingt und einer ständigen Änderung unterworfen, sie kann auch nie 1:1 übersetzt werden. So ist zu bedenken: Entweder ich nehme die Bibel wörtlich - oder ich verstehe sie.

6.
Bis ins hohe Mittelalter war die Pariser Sarbonne theologisch Maß gebend. Und in der Theolgie gab und gibt es verschiedene Lehrmeinungen, die um die angemessene Aussage ringen, wie Glaube in der jeweiligen Zeit am besten ausgedrückt werden kann. Es braucht einen lebendigen Austausch, nicht einfach ein Verdikt von Rom. In einer demokratischen Gesellschaft ist dieses Ringen um die richtige Lösung selbstverständlich. Und deshalb können die Menschen heute mit diktarorischen Lösungen nichts anfangen, auch wenn sie sich hierarchisch nennen. "Hierarchie", also heilige Herrschaft kommt im ganzen Neuen Testament nicht vor; dort ist vom Dienst die Rede. Aufgabe der Kirchenleitung ist es also, den Menschen dabei zur Seite zu stehen, wie sie als mündige Christinnen und Christen für ihr Glaubenszeugnis Verantwortung übernehmen können.

7.
Die Aussage von Johannes Paul II., die die Frauenordination endgültig ausschließen soll, entspricht nicht dem Prozedere einer Dogmenverkündung: "ex cathedra". Weiterhin beruht sie auf mangelhaften theologischen und historischen Grundlagen, sie berücksichtigt nicht die längst gewonnenen anthropologischen Aussagen und bleibt damit auf mittelalterlichem und frühneuzeitlichem Wissensstand. Sie jetzt zu einem Quasi-Dogma zu erheben, kann nicht nachvollzogen werden, schon gar nicht mit der Begründung, zwei weitere Päpste hätten diese Aussage bekräftigt.  

Magnus Lux, Dipl.-Theol.
Wir sind Kirche - Bundesteam
 

Zuletzt geändert am 27­.10.2020