Franz Hauber: Glaubensbekenntnis
Dr. Franz Hauber Nov. 2023
Vorbemerkungen
Auch inhaltliche Reformen in der Kath. Lehre sind notwendig.
Als ehemaliger Religionslehrer wünsche ich mir, dass es in Bayern auch noch in 20 Jahren und später einen Religionsunterricht gibt, und die Kirchen nicht in der Bedeutungslosigkeit versunken sind. Die jetzige Datenlage spricht leider dafür, dass viele Lehren der Kath. Kirche von der großen Mehrheit der Menschen bei uns nicht mehr verstanden und mitgetragen werden und es deshalb in 20 bis 30 Jahren bei uns keine kath. Volkskirche mehr geben wird, vor allem, wenn die heute über 65-Jährigen nicht mehr leben werden. Ich habe Angst davor, dass sich unsere Welt nicht mehr an den christlichen humanen Werten ausrichtet, sondern nur an den Interessen der Wirtschaft und der Macht.
„Wir sind Kirche“ und andere kirchliche Reformgruppen sowie das ZdK leisten aus meiner Sicht eine sehr wichtige Arbeit bezüglich notwendiger Reformen in der Kath. Kirche. Im Augenblick geht es bei diesen Gesprächen (siehe auch Synodaler Weg) vorwiegend um Strukturreformen (mehr demokratische Prinzipien in der Kirche, volle Gleichberechtigung der Frauen, verheiratete Priester und Priesterinnen usw.). Doch auch wenn diese Ziele im nächsten Jahrzehnt erreicht werden soll- ten, wird die Kath. Kirche weiter einen starken Mitgliederschwund erleiden (vgl. die Ev. Kirche, in der viele Strukturreformen schon stattgefunden haben), wenn Reformen bei den Inhalten der kirchlichen Lehre ausbleiben.
Wenn man z. B. auf die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz blickt, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich unsere Welt in den nächsten 20 Jahren mehr verändern wird als in den letzten 200 Jah- ren. Lehren der Kirche, die vorwiegend im Altertum und Mittelalter entwickelt wurden, sind für viele gebildete Menschen (Informatiker, Techniker, Naturwissenschaftler usw.) nicht mehr verständlich und werden nicht mehr als verbindlich akzeptiert, Sie können und wollen am Sonntag in der Kir- che nicht anders denken als unter der Woche in den wissenschaftlichen Instituten und an den technisierten Arbeitsplätzen.
Ich habe viele gebildete Freunde, die ein Bedürfnis nach Antworten auf ihre Fragen nach Sinn und Werten haben, aber mit Antworten und Sprache der Kirchen, auch in Gottesdiensten, einfach nichts mehr anfangen können.
Als Beispiel nehme ich das apostolische Glaubensbekenntnis der Kirchen, das in jedem Sonn- tagsgottesdienst gesprochen wird. Wenn mich ein Freund, der mit diesem vorwiegend aus dem 4. Jh. stammenden Text kaum mehr etwas anfangen kann, fragt, was ich glaube und ob er mein
„Glaubensbekenntnis“ haben könnte als Gedankenanregung, möchte ich ihm nicht eine Antwort schuldig bleiben.
Aus heutiger Sicht ist das, was ein Mensch glaubt (sein „Glaubensbekenntnis“) eine höchst per- sönliche Sache, und niemand kann heute mehr anderen Menschen vorschreiben, was sie zu glauben haben (auch nicht die Kirchen). Weil aber Menschen Anregungen haben möchten, habe ich versucht, im Gespräch mit Freunden ein mögliches „Glaubensbekenntnis“ zu formulieren als Denkangebot für suchende Christen, die mich nach so einem Vorschlag fragen.
Bei der Formulierung dieses möglichen „Glaubensbekenntnisse“ wurden die folgenden Kriterien beachtet:
- Begründetes religiöses Glauben ist kein festes sicheres Wissen, sondern etwas Schweres, ein Ringen, eine lebenslange Aufgabe; letztlich ist es ein Hoffen und Vertrauen. Darum wurde nicht formuliert „Ich glaube“, sondern „Ich versuche zu glauben, zu hoffen und zu vertrauen“.
- Die Formulierungen dürfen nicht im Widerspruch stehen zu den wissenschaftlichen Erkenntnis- sen im Jahr 2023.
- Sie sollten möglichst auch für Menschen anderer Religionen und auch für die Menschen, die Religionen fernstehen, akzeptierbar sein.
- Es geht nicht darum, einen theologisch ausgefeilten Text zu formulieren, sondern einen Vor- schlag anzubieten, in dem sich suchende Menschen auch emotional wiederfinden können.
Hier also dieser Vorschlag oder dieses Angebot:
„Glaubensbekenntnis“
Ich versuche zu glauben, zu hoffen und zu vertrauen auf einen Gott,
der, auch wenn er meinen Verstand unendlich übersteigt, die Liebe und Freiheit, die Wahrheit und Erkenntnis, Gerechtigkeit und Friede ist,
also Gott als Summe alles Guten.
Ich versuche zu glauben und hoffe auf einen Gott,
der sich nicht in einem unbegreiflichen Jenseits verschließt,
sondern der mir in den großen geistigen Erkenntnissen der Menschen und in den Ziel-Werten der Ethik nahe ist,
und, wie es auch Jesus sagte und vorlebte, im Mitmenschen neben mir.
Ich versuche zu glauben und hoffe auf einen Gott,
der die Liebe ist,
der auch dann noch liebt,
wenn ich ablehne oder verurteile.
Ich versuche zu glauben und hoffe auf einen Gott, der mich liebt und mich so annimmt, wie ich bin, sogar wenn ich mir selbst zuwider bin
und mich selbst nicht annehmen kann.
Ich versuche zu glauben und zu vertrauen auf einen Gott,
der alles versteht und alles verzeiht,
und nur möchte, dass ich in meinem Bemühen nicht aufgebe
und immer wieder neu anfange.
Ich versuche zu glauben an einen Gott,
der auch heute durch Menschen und Dinge zu mir „spricht“,
wenn ich mich besinne und meine Aufmerksamkeit auf das Wesentliche lenke
und die Kernfragen meines Lebens bedenke.
Ich versuche zu glauben an den „Geist“ Gottes, an den Geist der Liebe, der mir den Weg zu richtigen Entscheidungen zeigen kann,
und an die Gemeinschaft aller Menschen guten Willens und Vertrauens auf Gott.
Ich versuche zu glauben und vertraue auf einen Gott, der mir sagt, wenn ich aufgeben möchte
angesichts von so viel Leid und Ungerechtigkeit auf dieser Welt, dass in seiner Liebe längst der Sieg der Liebe beschlossen ist.
Ich versuche zu glauben an einen Gott,
der mich versteht, wenn Ängste und Leid mich niederdrücken,
so wie es auch die Geschichte vom Leiden und Sterben Jesu aufzeigen will, und der mir nach meinem Tod Anteil schenkt an seinem absoluten Sein.
Zuletzt geändert am 02.12.2023