Hans Küng zum 18. Dezember 2009
Wir sind Kirche erinnert: 30 Jahre Entzug der Lehrbefugnis für Hans Küng
Pressemitteilung München/Tübingen, 11. Dezember 2009
„Seine Beharrlichkeit ist uns Ermutigung, Inspiration und Ansporn zugleich.“
Zum 30. Mal jährt sich am 18. Dezember 2009 der Tag, an dem Prof. Dr. Hans Küng unter Papst Johannes Paul II. aufgrund seiner Vorschläge zur Reform der katholischen Kirche die kirchliche Lehrbefugnis „missio canonica“ entzogen wurde. In seinem 1970 erschienenen Buch „Unfehlbar? Eine Anfrage“ hatte Küng nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) und aus Anlass der Enzyklika „Humanae Vitae“ vom 25. Juli 1968 zur Geburtenregelung die Frage nach der Unfehlbarkeit des päpstlichen Lehramtes gestellt. Damit hat Hans Küng wie kein anderer in unserer Zeit die Frage nach der Wahrheit im Christentum wachgerüttelt und seither wachgehalten.
Der von Papst Johannes XXIII. zum offiziellen Berater des Zweiten Vatikanischen Konzils ernannte Schweizer Theologe von Weltrang hat ungeachtet der späteren kirchlichen Ausgrenzung entscheidende Beiträge zu einer ökumenischen Theologie geleistet. Seine 1957 fertiggestellte Doktorarbeit „Rechtfertigung“ über den Schweizer reformierten Theologen Karl Barth wurde damals von Joseph Ratzinger, mit dem Küng bis 1968 gemeinsam in Tübingen lehrte, gelobt. Küng hat maßgeblich dazu beigetragen, dass 1999 eine katholisch-lutherische Einigung in der Rechtfertigungslehre zustande kam. Sein 1990 gestartetes „Projekt Weltethos“ (www.weltethos.org) hat den angesichts der gegenwärtigen Weltlage immer notwendiger werdenden interreligiösen Dialog entscheidend befruchtet. Am 6. Oktober 2009 verkündete er seine „Erklärung zu einem Globalen Wirtschaftsethos” vor der UN.
Nach dem Entzug der kirchlichen Lehrbefugnis hat Küng seine theologisch fundierten Aussagen über das umstrittene Unfehlbarkeitsdogma von 1870 nicht zurückgenommen. Er hat damit gezeigt, dass nicht Gehorsam, sondern Widerstand gefordert ist, wenn es gilt, sich römischen Anmaßungen zu widersetzen. 1979 erhielt Küng einen außerhalb der katholischen Fakultät geschaffenen Lehrstuhl für ökumenische Theologie, den er bis 1997 innehatte.
1968 hatte er mit anderen Theologen die Erklärung „Für die Freiheit der Theologie“ entworfen, die schließlich von 1360 katholischen Theologinnen und Theologen aus aller Welt - darunter auch Joseph Ratzinger, dem jetzigen Papst Benedikt XVI. - unterschrieben wurde. 1989 war Küng Mitunterzeichner der „Kölner Erklärung“, die sich für eine offene Katholizität und gegen die Überdehnung päpstlicher Autorität ausgesprochen hat.
Hans Küng ist auch einer der geistigen Väter des 1995 durchgeführten KirchenVolksBegehrens, aus dem die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche hervorgegangen ist. Der zweite Band seiner Erinnerungen „Umstrittene Wahrheit“ gibt eine historische wie systematische Begründung der Anliegen von Wir sind Kirche, die sich seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil klar abzeichnen und die Küng schon in den 1960er und 1970er Jahren durchgekämpft hat. Mit grundlegenden Werken („Die Kirche“ 1967, „Christ sein“ 1974 und „Existiert Gott?“ 1978) hat Küng schon früh nicht nur punktuelle Reformgedanken in die Öffentlichkeit lanciert, sondern diese intensiv in grundlegenden Werken biblisch und systematisch begründet. Dass Küngs Anfragen an das Papsttum in seiner gegenwärtigen Form keineswegs erledigt sind, zeigen die zunehmenden Konflikte zwischen Kirchenleitung und Kirchenvolk. Pflichtzölibat, Frauenordination und Abendmahlsfrage bleiben trotz aller Verbote aus Rom in der Diskussion.
Bei dem überraschenden Treffen im September 2005 mit Papst Benedikt XVI., seinem früheren Professorenkollegen Ratzinger, waren innerkirchliche Reformthemen von vornherein ausgeklammert. Doch auch nach diesem Gespräch bekennt sich Hans Küng unverändert zu den ihm wichtigen Reformanliegen. Denn, so Hans Küng im zweiten Band seiner Biographie: „Nicht das Konzil, sondern der Verrat am Konzil hat die Kirche in die Krise geführt.“
„Seine Beharrlichkeit in der Erneuerung der römisch-katholischen Kirche sowie sein Einsatz für die Ökumene und den Dialog der Weltreligionen sind uns Ermutigung, Inspiration und Ansporn zugleich“, erklärte die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche in großer Dankbarkeit zu seinem 80. Geburtstag am 19. März 2008.
Auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag 2010 in München wird Hans Küng u.a. zusammen mit Jörg Zink einen von Wir sind Kirche initiierten Dialog zur ökumenischen Spiritualität führen.
Kontakt:
Christian Weisner
08131-260250
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Deutsche Welle Kalenderblatt
Für den späten Vormittag hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Joseph Höffner, von 1969 bis 1987 Erzbischof von Köln, zu einer Pressekonferenz eingeladen - ohne das Thema anzugeben.
Eine gute Stunde zuvor liefert ein Kurier der Bonner Vatikanbotschaft in Tübingen ein Schreiben der römischen Glaubenskongregation aus. Doch der Adressat ist verreist und kann nur telefonisch verständigt werden, dass in Köln die Öffentlichkeit über das römische Schreiben informiert wird.
"Professor Hans Küng", so erläutert der Kölner Kardinal den Journalisten, "weicht in seinen Schriften von der vollständigen Wahrheit des katholischen Glaubens ab. Darum kann er nicht als katholischer Theologe gelten und nicht als solcher lehren."
Konflikt mit Rom
Am 18. Dezember 1979 erreicht der Streit zwischen Hans Küng und der vatikanischen Glaubensbehörde, der zu diesem Zeitpunkt seit mehr als zehn Jahren schwelt, seinen disziplinarischen Abschluss. Dem Tübinger Theologen wird die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen.
"Wichtig ist, glaube ich, für einen Theologen heute, dass er vom Evangelium her nun die Sorgen und Hoffnungen der heutigen Menschen ausdrückt. Und das wird dann sicher auch in Rom ernst genommen werden müssen." So erläuterte Hans Küng sein Anliegen Mitte der 1970er-Jahre in einem Interview der Deutschen Welle, als der Konflikt mit Rom zunächst beigelegt scheint.
1928 im schweizerischen Sursee im Kanton Luzern geboren, beginnt Küng nach seinem Studium in Rom darüber nachzudenken, ob die jahrhundertealten Formeln, in denen der katholische Glaube vermittelt wird, für den modernen Menschen noch verständlich seien: "Mir geht es vielmehr um das, wie wir heute Gott verstehen müssen, dass der heutige Mensch etwas damit anfangen kann."
Vom Ersten zum Zweiten Vatikanischen Konzil
Kernfrage wird ihm, ob das kirchliche Lehramt in menschlichen Worten und Sätzen unwiderrufbar Glaubensinhalte formulieren kann, die das Begreifen übersteigen. Küng ist überzeugt, dass Begriffe und Sprachformeln stets zeitbedingt sind und ständig neu überdacht werden müssen.
Konsequent kritisiert er das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes, den Glaubenssatz, der 1871 auf dem Ersten Vatikanischen Konzil unter merkwürdigen Umständen zustande kam. Die Kirchengeschichte lehrt ihn, dass Päpste schon vielfach definitive Glaubenssätze verkündet haben, die sich im Nachhinein als fehlerhaft oder gar als Irrtum erwiesen haben.
Schon 1957 wird in der Glaubensbehörde des Vatikans ein "Dossier Küng" angelegt, um Fragwürdigkeiten seiner Theologie im Auge zu behalten. Dennoch beruft Papst Johannes XXIII. den Theologen, der seit 1960 als Professor an der Universität Tübingen lehrt, zum offiziellen Berater für das Zweite Vatikanische Konzil (1962 bis 1965), das sich die Aufgabe stellt, Glauben und Kirche auf die Höhe der Zeit zu bringen.
"Dossier Küng"
Aber bald nach dem Ende der bedeutsamen Bischofsversammlung und unter Papst Paul VI. greift die Glaubenskongregation das "Dossier Küng" wieder auf, eröffnet insgeheim ein Lehrbeanstandungsverfahren und versucht, die Verbreitung seiner Bücher zu unterbinden. Es beginnt ein jahrelanger Streit um ein faires Verfahren.
Hans Küng sagte dazu: "Es sind ja vor allem zwei Punkte, die endlich geregelt werden müssten: Ein Verfahren, wo der Angeklagte nicht volle Akteneinsicht hat, scheint mir unmöglich zu sein. Das habe ich nicht gehabt, und das sollte in Zukunft möglich sein. Und zweitens ein Verfahren, wo man nicht einen Rechtsbeistand hat, das ist auch gegen alles, was als Menschenrecht heute angesehen wird. Auch das sollte möglich sein. Ich hoffe, dass man diese Dinge vor allem nun einführt, weil ich meine, das alles ist doch im Grunde gegen das Evangelium."
Weltethos
Küng darf sich in Rom nicht verteidigen; einseitig betreibt der Vatikan das Verfahren bis zum Entzug der Lehrerlaubnis kurz vor Weihnachten 1979. Nach deutschem Beamtenrecht kann Küng als Professor jedoch nicht entlassen werden, er erhält in Tübingen einen eigenen Lehrstuhl für ökumenische Theologie.
Von da aus entwickelt er bis heute ein neues wissenschaftliches Projekt, eine Stiftung unter dem Titel "Weltethos": Ein Konzept für moralisches Denken und Handeln im Zeitalter der Globalisierung.
Autor: Dr. Hajo Goertz
URL: http://www.kalenderblatt.de/index.php?what=thmanu&manu_id=742&tag=18&monat=12&weekd=&weekdnum=&year=2009&dayisset=1&lang=de
Zuletzt geändert am 19.12.2009