Papstpredigt am Gründonnerstag
"Benedikt XVI. fordert von österreichischen Priestern Gehorsam. Ist aber Gehorsam noch eine Tugend?"
Pressemitteilung der Internationalen Bewegung Wir sind Kirche
Rom, 5. April 2012 / Lissabon, 8. April 2012
(Übersetzung aus dem Italienischen)
Die heutige Predigt Papst Benedikts XVI., die er zum Gründonnerstag während der traditionellen Chrisam-Messe hielt, verdient besondere Beachtung. Dazu sind einige kritische Überlegungen unvermeidlich.
Der Papst sprach indirekt von der sog. Pfarrer-Initiative, einem am 19. Juni 2011 veröffentlichten Text, den bis heute rund 400 österreichische Priester unterzeichnet haben und dem weitere wichtige nordeuropäische Appelle ähnlichen Inhalts folgten. Im Blick auf den Priestermangel erklärten diese Priester, sie müssten „ihrem Gewissen“ folgen und für die Neuorganisation ihres Dienstes „selbständig tätig werden“. Dazu zählen ihr privilegiertes Verhältnis gegenüber den „Laien“ und das Verbot, wiederverheiratete Geschiedene zur Eucharistie zuzulassen oder Frauen und verheiratete Personen zu ordinieren. Aber wie schon Papst Wojtyla tritt auch Benedikt XVI. in keinen Dialog ein.
Seit 17 Jahren gibt es nun die in Österreich entstandene internationale Bewegung „Wir sind Kirche“, die als erste diese Fragen aufwarf. Doch seitdem gibt es weder einen Rapport noch einen Dialog mit dem Vatikan. Kardinal Schönborn, Erzbischof von Wien, scheint ihn in Rom versucht zu haben, wurde dort aber blockiert.
In seiner Homilie hat Benedikt XVI. diese Probleme ausschließlich auf den Gehorsam gegenüber dem Lehramt zugespitzt. Ist aber Gehorsam noch eine Tugend? Insbesondere bei der Ordinationsfrage von Frauen greift er auf die Linie von Papst Wojtyla zurück: darüber dürfe nicht einmal diskutiert werden. Aber in der Kirche sind viele davon überzeugt, dass es für dieses Ordinationsverbot keine theologisch tragfähigen Argumente gibt, und diese Meinung setzt sich immer mehr durch.
Ferner erklärt Benedikt XVI., in der nachkonziliaren Epoche habe die wahre Erneuerung „in lebendigen Bewegungen oft unerwartete Gestalten angenommen“. Diese unbestimmte Aussage schafft keine Klarheit darüber, welches denn diese Bewegungen sind. Wir möchten dazu auch die christlichen Basisgemeinden und alle jene Gemeinschaften zählen, die von der Theologie der Befreiung inspiriert sind. Wir möchten sicher sein, dass der Papst sich nicht nur auf Bewegungen nach Art von Communione e Liberazione, Charismatikern und ähnlichen bezieht.
Schließlich bestätigt Benedikt XVI. mit seiner ganzen Autorität die von Kard. Levada unterzeichneten Leitlinien für das „Jahr des Glaubens“ vom 6. Januar 2012. Dort erklärt Levada: „Die Texte des II. Vaticanums und der Katechismus der Katholischen Kirche sind die wesentlichen Instrumente, die uns unverfälscht zeigen, was die Kirche vom Wort Gottes her glaubt.“ Wir weisen diese Gleichsetzung von Konzilsautorität und Katechismusautorität schlichtweg zurück. Es handelt sich, wie wir schon lange wissen, um zwei qualitativ verschiedene Quellen der Autorität. Das Jahr des Glaubens müsste die Zeit sein, in der wieder auf den Geist des II. Vatikanums und seiner Texte zurückgegriffen wird, damit er die Kirche aus ihrer Stagnation befreit und sie am Beginn dieses Jahrtausends neu zur Verkündigung des Evangeliums befähigt.
Vittorio Bellavite, nationaler Sprecher von „Wir sind Kirche“ (Italien)
italienische Originalfassung: Benedetto XVI chiede ubbidienza ai preti austriaci, niente dialogo, al solito
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Wortlaut der Predigt von Papst Benedikt XVI. am Gründonnerstag 5. April 2012 ("Ist Ungehorsam ein Weg, um die Kirche zu erneuern?")
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Zuletzt geändert am 12.04.2012