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Veröffentlicht am 02­.07.2012

neuer Präfekt Glaubenskongregation

Wir sind Kirche: „Neudenken der Gottesfrage oder dogmatische Stagnation?“ - MULTILINGUAL

Pressemitteilung München / Regensburg / Rom, 2. Juli 2012

Zur Ernennung von Bischof Prof. Dr. G. L. Müller als Präfekt der Glaubenskongregation

Dadurch dass Papst Benedikt XVI. den Regensburger Bischof Prof. Dr. Gerhard Ludwig Müller zum Präfekten der Glaubenskongregation ernennt, übernimmt dieser das Amt in einer äußerst schwierigen Phase der Kirchengeschichte, in der es um die Rezeption und Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils geht, das vor genau 50 Jahren eröffnet wurde. Es wird sich bald zeigen, ob mit Prof. Dr. Gerhard Ludwig Müller die Fenster des Zweiten Vatikanischen Konzils wieder weiter geöffnet werden, um als Kirche in der Welt zu wirken - oder ob nun auch noch die letzten Fensterläden geschlossen werden, um sich von der Welt abzuschotten.

Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche wünscht dem künftigen Präfekten der Glaubenskongregation Gottes Segen für die höchst verantwortungsvolle Arbeit zum Wohle der Kirche.

Mit Prof. Dr. Gerhard Ludwig Müller kommt wieder ein Mann an die Spitze der Glaubenskongregation, der – wie sein Vorvorgänger Joseph Ratzinger – seine hohe wissenschaftliche Qualifikation an katholisch-theologischen Fakultäten in Deutschland erworben hat. Seine bisherigen Veröffentlichungen zeigen eine profunde Kenntnis der Dogmatik. Vor allem seine statische und traditionell ausgerichtete „Katholische Dogmatik“ aus dem Jahr 1995 mag für die Personalentscheidung des Papstes ausschlaggebend gewesen sein.

Die entscheidende Frage wird aber sein, welche konzils- und zeitgemäße Weiterentwicklung der Theologe Gerhard Ludwig Müller in seinem künftigen Amt selber anstoßen bzw. zulassen wird. Und ob er das erforderliche geistige und geistliche Format besitzt für ein Neudenken der Gottesfrage, um den großen theologischen Herausforderungen der Gegenwart und des modernen Atheismus kreativ und innovativ zu begegnen.

Eine andere besonders wichtige Frage wird sein, ob seine langjährigen freundschaftlichen Kontakte zu südamerikanischen Befreiungstheologen, insbesondere zu ihrem geistigen Vater Gustavo Gutiérrez, zu einer möglichen Neubewertung der Befreiungstheologie führen könnten, die Ratzinger jahrzehntelang bekämpft hat. Gerade angesichts des Aufbruchs und der rasanten Entwicklung des amerikanischen Subkontinents kommt der Befreiungstheologie, die sich als Sprachrohr der Unterdrückten sieht, eine hohe Bedeutung zu.

Müller war an den Gesprächen mit der Pius-Bruderschaft beteiligt und steht diesen – sicher auch aus Erfahrungen in seinem Bistum – sehr zurückhaltend oder gar ablehnend gegenüber. Allerdings lehnt er auch die Frauenordination vehement ab, zuletzt in einem „orthodoxen“ Artikel in der Zeitschrift „Stimmen der Zeit“ (Heft 6 Juni 2012), der auf Anordnung der Glaubenskongregation gegenüber dem Jesuiten-Orden veröffentlicht werden musste. Auch in vielen anderen Bereichen, wie zum Beispiel in der Ökumene, tritt Müller, der Ökumene-Bischof in der Deutschen Bischofskonferenz, für eine Profilierung der offiziellen römisch-katholischen Lehrmeinung ein, also für eine Polarisierung und nicht für eine Versöhnung. Bezüglich der in der ganzen Weltkirche entstehenden Priester-Iinitiativen, die sich für Reformen einsetzen, steht zu befürchten, dass er darauf hinwirken wird, diese als „unchristlich und dem katholischen Glauben diametral entgegengesetzt“ zu bekämpfen und zu unterbinden.

Seine zehnjährige Amtszeit im Bistum Regenburg war gekennzeichnet von einer Überbetonung des bischöflichen Amtes und der Person des Bischofs. Mit der Entlassung und Ausgrenzung von gewählten Laien aus diözesanen Gremien sowie der strengen Disziplinierung kritischer Priester hat er sehr schnell ein Klima der Unterwürfigkeit und Angst in seinem Bistum erzeugt. Rigoroses Durchgreifen gegen Reformkräfte war ihm wichtiger als das Gespräch, die Durchsetzung der kirchlichen Disziplin wichtiger als die Änderung offensichtlicher Missstände, Verunglimpfung Andersdenkender wichtiger als die versöhnende Hand. Im Umgang mit sexualisierter Gewalt im Bistum Regensburg hat er fatale Fehlentscheidungen getroffen und will bis heute nicht wahrhaben, dass dafür strukturelle Ursachen innerhalb der römisch-katholischen Kirche wesentlich mitverantwortlich sind.

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Zuletzt geändert am 18­.07.2012