85. Geburtstag Hans Küng
„Seine Beharrlichkeit in der Erneuerung der römisch-katholischen Kirche ermutigt uns“
Der von Papst Johannes XXIII. zum offiziellen Berater des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) ernannte Schweizer Theologe von Weltrang hat ungeachtet der späteren kirchlichen Ausgrenzung entscheidende Beiträge zu einer ökumenischen Theologie und interreligiösen Dialog geleistet und arbeitet immer noch aktiv und kreativ an den von ihm initiierten Projekten mit.
Seine 1957 fertig gestellte Doktorarbeit „Rechtfertigung“ über den evangelischen Theologen Karl Barth wurde auch von Joseph Ratzinger gelobt, mit dem Küng bis 1968 gemeinsam in Tübingen lehrte. Mit grundlegenden Werken („Die Kirche“ 1967, „Christ sein“ 1974 und „Existiert Gott?“ 1978) hat Küng schon früh nicht nur punktuelle Reformgedanken in die Öffentlichkeit lanciert, sondern diese intensiv in grundlegenden Werken biblisch und systematisch begründet.
Mit seinem ökumenischen Engagement hat Küng maßgeblich dazu beigetragen, dass 1999 eine katholisch-lutherische Einigung in der Rechtfertigungslehre zustande kam. Die Eucharistische Gastfreundschaft, für die sich auch das von ihm 1963 gegründete Institut für Ökumenische Forschung in Tübingen vor dem Berliner Ökumenischen Kirchentag 2003 ausgesprochen hat, ist für Küng ein Schritt in die richtige Richtung.
Hans Küng hat wie kein anderer in unserer Zeit die Frage nach der Wahrheit im Christentum wachgerüttelt und wachgehalten. Nach dem Konzil und zugespitzt aus Anlass der 1967 veröffentlichten Enzyklika zum Zölibat und der Enzyklika „Humanae Vitae“ zur Geburtenregelung aus dem Jahr 1968 hatte Küng in seinem 1970 erschienenen Buch „Unfehlbar? Eine Anfrage“ die Frage nach der Unfehlbarkeit des päpstlichen Lehramtes gestellt.
Dafür wurde ihm am 18. Dezember 1979 unter Papst Johannes Paul II. die kirchliche Lehrerlaubnis „missio canonica“ entzogen. Doch Küng hat seine theologisch fundierten Aussagen über das umstrittene Unfehlbarkeitsdogma von 1870 nicht zurückgenommen und so gezeigt, dass nicht Gehorsam sondern Widerstand – eine eher seltene katholische „Tugend“ – gefordert ist, wenn es gilt, sich römischen Anmaßungen zu widersetzen.
1968 hatte er die Erklärung „Für die Freiheit der Theologie“ entworfen, die von Yves Congar, Karl Rahner und Edward Schillebeeccks überarbeitet und schließlich von 1.360 katholischen Theologinnen und Theologen aus aller Welt – darunter auch Joseph Ratzinger – unterzeichnet wurde. 1989 war Küng Mitunterzeichner der „Kölner Erklärung“, die sich für eine offene Katholizität und gegen die Überdehnung päpstlicher Autorität ausgesprochen hat.
Hans Küng ist einer der geistigen Väter der 1980 gegründeten Initiative Kirche von unten (IKvu) und des 1995 durchgeführten KirchenVolksBegehrens, aus dem die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche hervorgegangen ist. Der zweite Band seiner Erinnerungen „Umstrittene Wahrheit“ gibt eine historische wie systematische Begründung der Anliegen von Wir sind Kirche, die sich seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil klar abzeichnen und die Küng schon in den 1960er und 1970er Jahren durchgekämpft hat.
Dass Küngs Anfragen an das Papsttum in seiner gegenwärtigen Form keineswegs erledigt sind, zeigen die zunehmenden Konflikte zwischen Rom und den Ortskirchen, die Paralysierung der Bischofssynoden und jetzt ganz besonders der Rücktritt von Papst Benedikt XVI. Pflichtzölibat, Frauenordination und Abendmahlsfrage bleiben trotz aller Verbote aus Rom in der Diskussion, ja sind und bleiben dringende Reformpunkte.
Bei dem überraschenden Treffen im September 2005 mit Papst Benedikt XVI., seinem früheren Professorenkollegen Ratzinger, waren innerkirchliche Reformthemen von vorne herein ausgeklammert. Doch auch nach diesem Gespräch bekennt sich Hans Küng unverändert zu den Reformanliegen der KirchenVolksBewegung und zu einer Erneuerung der Kirche von der Basis her.
Heute widmet sich Küng mit großer Intensität dem interreligiösen Dialog. Dazu hat er selbst drei große Werke zum Judentum (1991), zum Christentum (1995) und zum Islam (2004) veröffentlicht. Seit 1990 widmet er sich dem Projekt Weltethos, das er seit 1995 in der „Stiftung Weltethos“ vorantreibt. Ein Meilenstein bedeutet die „Erklärung zum Weltethos“, die vom Kongress der Weltreligionen 1993 in Chicago verabschiedet wurde und zu einem weltweiten Netzwerk interreligiöser Beziehungen geführt hat.
Bei der Eröffnung der Konziliaren Versammlung „Zeichen der Zeit – Hoffnung und Widerstand“ in der Frankfurter Paulskirche sagte Hans Küng "Wir dürfen nicht aufgeben ... Gerade in der gegenwärtigen Phase der innerkirchlichen Restauration kommt es darauf an, ... den langen Atem zu bewahren", ein Wort das besonders an dem jetzigen Wendepunkt der Kirchengeschichte gilt.
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Zuletzt geändert am 23.09.2013