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Veröffentlicht am 23­.09.2013

Herbstvollversammlung DBK (2)

„Wann werden die Bischöfe dem Kurs von Franziskus folgen?“

Pressemitteilung München / Fulda, 23. September 2013

Wir sind Kirche zur Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz 23.-26.9.2013 in Fulda

Nach Ansicht der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche werden sich die deutschen Bischöfe bei ihrer ersten Vollversammlung nach der Wahl von Franziskus den Zeichen, Worten und Entscheidungen des Papstes, die auf eine grundlegende Erneuerung der Kirche zielen, stellen müssen. Franziskus hat in vielen Predigten und zuletzt im Interview mit den weltweiten Jesuitenzeitschriften seine Sicht und seine Visionen von Kirche offengelegt. Es geht Franziskus um eine arme und dienende Kirche, um eine Kirche, die sich den Menschen zuwendet, eine Kirche, die die befreiende Botschaft von Jesus, dem Christus, in den Mittelpunkt stellt und sich nicht in erster Linie als moralische Instanz versteht.

Dieser neue Kurs und der Lebens- und Leitungsstil von Franziskus – von der KirchenVolksBewegung sehr begrüßt – sind eine große Herausforderung für die ganze römisch-katholische Kirche und verschieben ganz offensichtlich die Gewichte innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz. Es gibt aber immer noch Angst vor den nötigen Reformen sowie die Sorge um den Erhalt überholter Machtansprüche und Privilegien gerade hier in Deutschland. Die Bischöfe sind als Nachfolger der Apostel die Erst-Verantwortlichen in der Ortskirche, doch der „sensus fidelium“, der Glaubenssinn der Gläubigen, muss wieder ein viel stärkeres Gewicht in der Kirche bekommen.

Wir sind Kirche fragt deshalb an folgenden acht konkreten Punkten an, wie die deutschen Bischöfe dem Kurs von Franziskus folgen und sich der Zukunft der deutschen Kirche stellen wollen.

1. „Gesprächsprozess“ der Deutschen Bischofskonferenz
In der Audienz für neugeweihte Bischöfe am 19. September 2013 in Rom forderte Franziskus diese auf, mit den Beratungsgremien in den Bistümern einen „ehrlichen und konstruktiven Dialog“ zu führen. Die gute Atmosphäre auch beim dritten bundesweiten Jahrestreffen (13./14. September 2013 in Stuttgart) des von den deutschen Bischöfen 2010 initiierten Gesprächsprozesses kann und darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass bundesweit und in den einzelnen Diözesen immer noch viel zu wenig konkrete Konsequenzen erkennbar sind. Dem Thema einer erneuerten Pastoral für nach einer Scheidung Wiederverheirateter wird auch von den deutschen Bischöfen eine hohe Priorität eingeräumt. Den Gläubigen liegt aber auch eine Absage an Großpfarreien, die Beauftragung von „Laien“ mit der Gemeindeleitung, die Gleichstellung der Frauen in allen Bereichen der Kirche, die Zulassung konfessionsverbindender Ehepaare zur Eucharistie – um nur einige anzusprechen – sehr am Herzen.
* Wann werden welche konkreten Konsequenzen aus dem „Gesprächsprozess“ gezogen?
* Sind die Bischöfe, die bisher einen Kommunionempfang für nach Scheidung Wiederverheiratete ausgeschlossen haben, bereit, ihre Positionen theologisch und pastoral zu überdenken?


2. „Männer und Frauen im Dienst und Leben der Kirche“
Die bekanntgewordenen Ergebnisse der letzten Vollversammlung der Bischofskonferenz im Februar 2013 in Trier („Gemeindediakoninnen“ usw.) waren eher enttäuschend. Franziskus hat kürzlich zwar die Ablehnung der Frauenordination durch Papst Johannes Paul II. noch einmal wiederholt, sich andererseits aber deutlich gegen Klerikalismus und Triumphalismus einer Männerkirche ausgesprochen. Er sieht es als Herausforderung, für Frauen auch dort einen Platz in der Kirche zu finden, wo wichtige Entscheidungen getroffen werden und wo in den verschiedenen Bereichen Autorität ausgeübt wird. Franziskus hält die Erneuerung kirchlicher Strukturen für notwendig, und zwar im Dialog mit den Kulturen und den Menschen gemäß Ort und Zeit.
* Welche Rolle werden die deutschen Bischöfe den Frauen im Dienst und Leben der Kirche zugestehen?
* Werden die Bischöfe Frauen als Verkünderinnen der Frohen Botschaft und als Leiterinnen der Gemeinden anerkennen?


3. Sexualisierte Gewalt
Die Kündigung des Forschungsvorhabens mit Prof. Christian Pfeiffer und dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. war ein verheerendes Signal für die Glaubwürdigkeit der Kirchenleitung. Wir sind Kirche begrüßt, dass die Bischöfe die Untersuchung jetzt interdisziplinär beauftragen wollen, auch wenn offenbar viele Akten nicht (mehr) zur Verfügung stehen. Bei den erneuerten Leitlinien ist zu begrüßen, dass jetzt endlich der Begriff „sexualisierte Gewalt“ verwendet wird. Die Taten dürfen aber nicht länger nur als verabscheuenswürdige Taten Einzelner dargestellt werden, sondern es muss auch die Mitverantwortung des „Systems Kirche“ im Hinblick auf Sexuallehre, Zölibat, Klerikalismus und Vertuschung anerkannt werden.
* Wie geht es mit der Aufklärung sexualisierter Gewalt und der Suche nach den Ursachen weiter?
* Wird den neuen Forschungsteams die unbedingt notwendige Forschungsfreiheit zugestanden?
* Werden die Bischöfe demütig die Schuld der Kirche als ganzer aussprechen und angemessene Schritte gehen?


4. Kirchliches Arbeitsrecht
Aus Gründen der eigenen Glaubwürdigkeit der römisch-katholischen Kirche hält Wir sind Kirche eine Überprüfung des Selbstbestimmungsrechtes der Religionsgemeinschaften, das aus der Weimarer Verfassung übernommen wurde, für dringend erforderlich. Die seit einiger Zeit in der Diskussion befindlichen Verbesserungen im kirchlichen Arbeitsrecht, dass eine Wiederheirat nach einer Scheidung nicht automatisch die Kündigung zur Folge hat, sind nicht dem Gesprächsprozess oder bischöflichen Initiativen zu verdanken, sondern den Anforderungen des Rechtsstaates geschuldet. Der Staat finanziert den allergrößten Teil kirchlicher Sozialeinrichtungen. Der auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen gewährte Tendenzschutz darf deshalb nicht dazu führen, von allen kirchlichen MitarbeiterInnen eine strikte Ausrichtung an den kirchlichen Vorstellungen zu verlangen.
* Welche konkreten Änderungen sind im kirchlichen Arbeitsrecht zu erwarten?
* Werden die Bischöfe einen angemessenen Umgang mit kirchlichen ArbeitnehmerInnen finden, der Vorbild für unsere Gesellschaft werden kann?


5. Kirchensteuerstreit
Vor genau einem Jahr hat das Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig mit Urteil vom 26. September 2012 festgestellt, dass es Sache der Glaubensgemeinschaft ist, festzustellen, wodurch ein Glaubender Mitglied der Glaubensgemeinschaft ist. Das damals zwei Tage zuvor am 24. September 2012 in aller Eile in Kraft gesetzte Dekret der Deutschen Bischofskonferenz zum Kirchenaustritt war ein falsches Signal zum falschen Zeitpunkt; der damals vorgelegte Einheitsbriefentwurf der Bischofskonferenz war eine reine Drohbotschaft. Nicht der Eintrag in eine Steuerliste, sondern die Taufe als unauslöschliches Zeichen begründet die Mitgliedschaft.
* Geht es den Bischöfen nur ums Geld, dass sie immer noch mit Strafen drohen, wenn jemand aus der Körperschaft öffentlichen Rechts, aber nicht aus der Glaubensgemeinschaft austritt?

6. Neue ökumenische Initiative
Das 1994 bis 1997 erstmals erstellte gemeinsame Wort von DBK und EKD zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland war eine selbstbewusste Herausforderung an die gestaltenden Kräfte in Staat und Gesellschaft. Wesentliches Qualitätsmerkmal war damals die klare Positionierung und auch die Beteiligung des Kirchenvolkes in einem breiten Konsultationsprozess.
* Welchen Solidaritäts- und Gerechtigkeits-Begriff verwendet die neue ökumenische Initiative?
* Inwieweit sind die Kirchen als Ganzes bei der neuen ökumenischen Initiative beteiligt?
* Hat dieses ökumenische Sozialwort auch die europäische und globale Sichtweise im Blick?


7. Reformationsgedenken 2017
Wenn auf die Anfragen des Augustinermönchs Martin Luther (die Papst Benedikt VXI. 2011 in Erfurt gewürdigt hat) eingegangen worden wäre, hätte die Kirchenspaltung vielleicht vermieden werden können. Doch damals wurden aus Angst, dass sie zu weit gehen könnten, Reformen nicht rechtzeitig angegangen oder gar verhindert. Diesen Fehler müssen wir heute vermeiden. Statt negativer Bewertungen der Reformation durch Vertreter der katholischen Kirche („kein Anlass zur Freude“) sind die Vorbereitungen für das Lutherjahr 2017 in „versöhnter Verschiedenheit der Konfessionen“ zu gestalten. Nur gemeinsam können die Kirchen glaubwürdig die christliche Stimme in der Gesellschaft erheben und die Zukunft gestalten!
* Welchen positiven Beitrag leistet die röm.-kath. Kirche zum Reformationsgedenken 2017?
* Werden die Bischöfe die Sehnsucht der Menschen nach dem gemeinsam bezeugten Glauben an Jesus, den Christus, als berechtigt anerkennen?
* Wird es endlich Fortschritte auch in der Frage der Eucharistie- und Abendmahlsgemeinschaft geben
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8. Bistumspresse
Die Bistumszeitungen (die in manchen Bistümern reine „Hofberichterstattung“ bieten) sind seit Langem einem starken Rückgang ausgesetzt. Die letzte „Sinus-Mileustudie“ und das Magazin „credo“ haben gezeigt, welche Möglichkeiten die kirchliche Pressearbeit heute haben könnte. Wir brauchen zukunftsweisende Artikel und Kommentare aus den Diözesen, aus Deutschland und aus der weltweiten Kirche, die das Kirchenbild von Papst Franziskus vermitteln, aber auch die verschiedenen kirchlichen Gruppierungen zu Wort kommen lassen.
* Werden die Bischöfe ohne Gängelung der Redaktionen die Möglichkeiten kirchlicher Presse zur Erneuerung der Kirche nutzen?


Pressekontakte Wir sind Kirche-Bundesteam während der Bischofsvollversammlung:

Christian Weisner, Tel. 0172-5184082, E-Mail: presse@wir-sind-kirche.de

Magnus Lux, Tel. 0176-41266392, E-Mail: Famlux@t-online.de

Zuletzt geändert am 23­.09.2013