20 Jahre „Ordinatio Sacerdotalis“
„Unbiblisch, unhistorisch und die Zukunft der Kirche verbauend“
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Als unbiblisch, unhistorisch und die Zukunft der Kirche verbauend bewertet die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche das Apostolische Schreiben „Ordinatio Sacerdotalis“ vom 22. Mai 1994. In einer seiner kürzesten und härtesten Verlautbarungen, erklärte Papst Johannes Paul II. am Pfingstfest vor 20 Jahren, „dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.“ Damit versuchte er nach der Zulassung von Frauen der Anglikanischen Kirche zum Priesteramt, die Diskussion über die Frauenordination in der römisch-katholischen Kirche endgültig zu beenden.
Wir sind Kirche nimmt den 20. Jahrestag zum Anlass, die Glaubenskongregation aufzufordern, endlich exegetische Tatbestände zu respektieren, die in der Exegese als breiter und unbestreitbarer Konsens gelten. In der Folge müsste auch der Can. 1024 aus dem römisch-katholischen Kirchenrecht gestrichen werden. Denn die in „Ordinatio Sacerdotalis“ angeführten biblischen, geschichtlichen und anthropologischen Argumente waren bereits vor 20 Jahren als höchst undifferenziert, widersprüchlich und unhaltbar erkannt. Was gilt ein Unfehlbarkeitsanspruch, wenn die damit abgesicherte Aussage sowohl der Schrift als auch wichtigen Teilen der Tradition widerspricht?
Das damals vom Papst ausgesprochene Verbot hat den Ruf nach der Ordination von Frauen zu Diakoninnen und Priesterinnen nicht stoppen können, sondern die Diskussion über die Erneuerung der Ämter und ihre Öffnung auch für Frauen intensiviert. Seit dem Jahr 2002 werden in verschiedenen Ländern – wenn auch noch „contra legem“ – Frauen zu Priesterinnen geweiht. Auch das viel beachtete Memorandum der über 300 Professorinnen und Professoren der katholischen Theologie aus dem deutschsprachigen Raum im Jahr 2011 (www.memorandum-freiheit.de) hat das Thema aufgegriffen.
Während Johannes Paul II. und sein damaliger Glaubenspräfekt Kardinal Joseph Ratzinger die Frauenordination noch definitiv ausschlossen, erklärte Papst Franziskus im Juli 2013 auf dem Rückflug vom Weltjugendtag zum Priesteramt für Frauen: „Diese Tür ist geschlossen“. Im Apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ heißt es, das stehe „nicht zur Diskussion“. Gleichzeitig warnt Franziskus eindringlich und immer wieder vor der Gefahr eines neuen Klerikalismus.
Geschlossene Türen kann man wieder öffnen. Papst Franziskus und die Bischöfe wären gut beraten, in nächster Zeit den Mut aufzubringen, die Gläubigen zu befragen. Denn das Matthäusevangelium spricht nicht nur dem Nachfolger Petri (Mt 16.18), sondern der gesamten Gemeinde (Mt 18,18) eine letzte Entscheidungsvollmacht zu. Wie der Misserfolg von „Ordinatio Sacerdotalis“ zeigt, ist die Zeit gekommen, in der die Stimme der Frauen gehört und ihre Fähigkeit anerkannt wird, wie Männer vollgültige kirchliche Leitungsämter und in Eucharistiefeiern den Vorsitz zu übernehmen.
Pressekontakte:
Sigrid Grabmeier, Tel: 0170 8626 290, E-Mail: grabmeier@wir-sind-kirche.de
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- Wir sind Kirche zum Thema Frauen-Gerechtigkeit:
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Wir sind Kirche-Stellungnahme zum Dekret der Glaubenskongregation zur Frauenordination (2. Juni 2008)
www.wir-sind-kirche.de/index.php?id=128&id_entry=1532 - Gegen den Beitrag „Frauenordination“ des emeritierten Dogmatikprofessors Georg Kraus in der Dezemberausgabe 2011 der Jesuiten-Zeitschrift „Stimmen der Zeit“ protestierte die römische Glaubenskongregation. Über den Generaloberen der Jesuiten forderte sie die Redaktion auf, einen Artikel zu publizieren, der die Lehre der Kirche adäquat darstellt. Diesen Part übernahm der damalige Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller, vormals Professor für Dogmatik und jetzt Kardinal und Präfekt der Glaubenskongregation in Rom.
Gerhard Ludwig Müller
Hat die Kirche die Vollmacht, Frauen das Weihesakrament zu spenden?
"Stimmen der Zeit" Heft 6, Juni 2012, 374-384 - Obwohl Johannes Paul II. das Ordinationsverbot für irreversibel hielt, wagte er vor 20 Jahren nicht, in aller Form als unfehlbarer Lehrer aufzutreten. Ebenso hat Kardinal Ratzinger, der damalige Glaubenspräfekt, ein Jahr später nur behauptet, es handle sich um eine unfehlbare Lehre. Steckte dahinter noch doch die Angst, Papst und Glaubenspräfekt könnten irren? Oder fürchtet man, eine ausdrücklich unfehlbare Definition ließe den Sturm der Entrüstung noch mehr anschwellen?
www.wir-sind-kirche.de/?id=132
Im April 1976 hat die Päpstliche Bibelkommission einstimmig beschlossen: „Es scheint nicht, dass sich aufgrund des Neuen Testaments allein das Problem einer möglichen Zulassung von Frauen zum Presbyterat klar und ein für alle Mal entscheiden lässt.“ Nach weiteren Beratungen entschied sich die Kommission mit 12 gegen 5 Stimmen für die Sichtweise, dass die Schrift allein die Ordination von Frauen nicht ausschließt, sowie ebenfalls mit 12 gegen 5 Stimmen für die Sichtweise, dass die Kirche Frauen ordinieren könne, ohne dabei gegen den ursprünglichen Willen Christi zu verstoßen.
Im Schreiben Inter insigniores (datiert vom 15. Oktober 1976, aber erst im nachfolgenden Januar veröffentlicht) erklärte die Glaubenskongregation: „Die Kirche hält sich aus Treue zum Vorbild ihres Herrn nicht dazu berechtigt, die Frauen zur Priesterweihe zuzulassen.“ Diese Erklärung, veröffentlicht mit der Zustimmung von Papst Paul VI, war ein relativ bescheidenes „hält sich nicht berechtigt.“
In seinem Schreiben Ordinatio Sacerdotalis (22. Mai 1994) verstärkte Papst Johannes Paul II die Aussage beträchtlich, indem er erklärte, „dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.“ Johannes Paul wollte eigentlich den Bann als nicht „reformierbar“ beschreiben, eine noch viel stärkere Aussage als „endgültig daran zu halten haben.“ Dies traf jedoch auf erheblichen Widerstand der hochrangigen Bischöfe, die zu einem besonderen Treffen im März 1995 im Vatikan zusammengekommen waren, um das Dokument zu besprechen. Selbst damals erreichten die Bischöfe, in Kenntnis der seelsorgerischen Bedürfnisse der Kirche, ein Zugeständnis an die Möglichkeit, dass diese Lehre geändert werden könne. Doch dieser geringfügige Sieg verflüchtigte sich schnell.
Im Oktober 1995 unternahm die Glaubenskongregation weitere Schritte. Sie veröffentlichte ein Responsum ad propositum dubium bezüglich der in Ordinatio Sacerdotalis vorgelegten Lehre: „Diese Lehre fordert eine endgültige Zustimmung, weil sie, auf dem geschriebenen Wort Gottes gegründet und in der Überlieferung der Kirche von Anfang an beständig bewahrt und angewandt, vom ordentlichen und universalen Lehramt unfehlbar vorgetragen worden ist.“ Das Verbot der Frauenordination ist Teil des „Glaubensguts“, erklärte das Responsum. Das Ziel des Responsum war es, alle Diskussionen zu beenden.
In einem Begleitschreiben zu dem Responsum, bat Kardinal Joseph Ratzinger, damals Chef der Glaubenskongregation, die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen, „alles Mögliche zu tun, um die Verbreitung und positive Aufnahme des Responsums sicherzustellen. Insbesondere und vor allem sollte sichergestellt werden, dass seitens Theologen, Seelsorgern und Geistlichen, keine unklaren und entgegen gesetzten Aussagen mehr gemacht werden.“
In einem bereits im Dezember 2007 beschlossenen, aber erst später veröffentlichten Allgemeinen Dekret zur erneut deutlich verkündeten Exkommunikation von allen, die „versuchen“ Frauen zu Priesterinnen zu weihen, und von Frauen, die ihrer Berufung folgen und sich gegen das geltende Kirchenrecht weihen lassen, bezieht sich die Kongregation für die Glaubenslehre auf den Willen des Kirchenstifters Jesus Christus.
Unter Verwendung des Artikels „Correct an injustice: Ordain women“ im National Catholic Reporter, gedruckte Ausgabe vom 7.-20. Dezember 2012. Übersetzung: Bernhard Aurin.
Quelle: http://ncronline.org/news/people/editorial-ordination-women-would-correct-injustice
Evangelii Gaudium (24. November 2013)
104. Die Beanspruchung der legitimen Rechte der Frauen aufgrund der festen Überzeugung, dass Männer und Frauen die gleiche Würde besitzen, stellt die Kirche vor tiefe Fragen, die sie herausfordern und die nicht oberflächlich umgangen werden können. Das den Männern vorbehaltene Priestertum als Zeichen Christi, des Bräutigams, der sich in der Eucharistie hingibt, ist eine Frage, die nicht zur Diskussion steht, kann aber Anlass zu besonderen Konflikten geben, wenn die sakramentale Vollmacht zu sehr mit der Macht verwechselt wird. Man darf nicht vergessen, dass wir uns, wenn wir von priesterlicher Vollmacht reden, » auf der Ebene der Funktion und nicht auf der Ebene der Würde und der Heiligkeit « befinden. Das Amtspriestertum ist eines der Mittel, das Jesus zum Dienst an seinem Volk einsetzt, doch die große Würde kommt von der Taufe, die allen zugänglich ist. Die Gleichgestaltung des Priesters mit Christus, dem Haupt – das heißt als Hauptquelle der Gnade – schließt nicht eine Erhebung ein, die ihn an die Spitze alles Übrigen setzt. In der Kirche begründen die Funktionen » keine Überlegenheit der einen über die anderen «. Tatsächlich ist eine Frau, Maria, bedeutender als die Bischöfe. Auch wenn die Funktion des Amtspriestertums sich als „hierarchisch“ versteht, muss man berücksichtigen, dass sie » ganz für die Heiligkeit der Glieder Christi bestimmt « ist. Ihr Dreh- und Angelpunkt ist nicht ihre als Herrschaft verstandene Macht, sondern ihre Vollmacht, das Sakrament der Eucharistie zu spenden; darauf beruht ihre Autorität, die immer ein Dienst am Volk ist. Hier erscheint eine große Herausforderung für die Hirten und für die Theologen, die helfen könnten, besser zu erkennen, was das dort, wo in den verschiedenen Bereichen der Kirche wichtige Entscheidungen getroffen werden, in Bezug auf die mögliche Rolle der Frau mit sich bringt.
http://w2.vatican.va/content/francesco/de/apost_exhortations/documents/papa-francesco_esortazione-ap_20131124_evangelii-gaudium.html#Nein_zu_einer_Wirtschaft_der_Ausschlie%C3%9Fung
Ordinatio Sacerdotalis (22. Mai 1994)
4. Obwohl die Lehre über die nur Männern vorbehaltene Priesterweihe sowohl von der beständigen und umfassenden Überlieferung der Kirche bewahrt als auch vom Lehramt in den Dokumenten der jüngeren Vergangenheit mit Beständigkeit gelehrt worden ist, hält man sie in unserer Zeit dennoch verschiedenenorts für diskutierbar, oder man schreibt der Entscheidung der Kirche, Frauen nicht zu dieser Weihe zuzulassen, lediglich eine disziplinäre Bedeutung zu.
Damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), daß die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und daß sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.
http://www.vatican.va/holy_father/john_paul_ii/apost_letters/1994/documents/hf_jp-ii_apl_19940522_ordinatio-sacerdotalis_ge.html
Zuletzt geändert am 20.05.2014