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Veröffentlicht am 25­.08.2018

50 Jahre Medellín

Auf dem Weg zu einer wirklich katholischen Kirche…

Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche erinnert an die 2. Konferenz des lateinamerikanischen Bischofsrats (CELAM), der Generalversammlung der Bischöfe Lateinamerikas, die vom 26. August bis 8. September 1968 in Medellín/Kolumbien stattfand. Die dort gefassten wegweisenden Beschlüsse gelten als das wichtigste Dokument der römisch-katholischen Kirche weltweit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65). Denn sie zeigen, welche entscheidende Rolle Kirche angesichts der Zeitenwende und nach einer grundlegenden theologischen und gesellschaftspolitischen Analyse auch in Europa und Deutschland spielen könnte.

Eine Selbstbesinnung der Kirche als arme Kirche an der Seite der Armen gehört wohl zu den wertvollsten Früchten des Zweiten Vatikanischen Konzils. Besonders die katholische Kirche in Lateinamerika hat diesen Impuls aufgegriffen und in Medellín wegweisende Beschlüsse gefasst. Die dort gefassten Beschlüsse gelten als die bisher wichtigsten Texte der Kirche in Lateinamerika. Es ist ein fundamentales Vermächtnis von Medellín, eine Kirche der Armen, ebenso eine Kirche im Dienste der Menschen, besonders der „Bedrängten aller Art“ und eine „österliche Kirche“ zu werden.

Die Dokumente von Medellín können als Gründungsakt einer wirklich lateinamerikanischen Kirche gedeutet werden. Sie bilden die „Magna Charta” der gegenwärtigen Kirche Lateinamerikas. Denn sie haben als Ausgangspunkt - neben dem Evangelium - die konkrete Situation vor Ort und die Kulturen der Völker Lateinamerikas. Für die Befreiungstheologie markiert Medellín das Ende einer über tausendjährigen Epoche, der Dominanz - oder gar der Verabsolutierung - der griechisch-römischen Kultur und Rechtsprechung und einer daraus resultierenden Theologie und Praxis. Wir stehen vor dem Beginn einer neuen Epoche. Aus einer „römischen“ Kirche wird eine evangelische (mit dem Primat des Evangeliums) und katholische (allumfassende, universale, jesuanische) Kirche!

Papst Franziskus erinnerte bei seinem Besuch in Medellín im September 2017 daran: „Unsere Jüngerschaft kann nicht einfach von einer Gewohnheit motiviert sein, nur weil wir einen Taufschein haben. Sie muss vielmehr von einer lebendigen Erfahrung Gottes und seiner Liebe ausgehen.“ Franziskus fordert, „Normen abzuwägen“, wenn es um das Wie der Nachfolge Jesu geht, „wenn seine offenen Wunden, sein Schrei vor Hunger und sein Durst nach Gerechtigkeit uns anfragen und neue Antworten abverlangen“. Die Kirche muss sich „schmutzig“ machen, um anderen nicht den Weg zu Gott zu erschweren.

Auch wenn der Weg der Kirche zu einer universalen armen Kirche der Armen - vor allem im globalen Norden - noch weit ist und die entsprechenden Entwicklungen in Lateinamerika später auch diskreditiert, oft gar bekämpft worden sind, so haben die Impulse von Medellín und der Nachfolgekonferenzen doch eine fruchtbare und nicht mehr zu beseitigende Wirkung gezeitigt. Nicht zuletzt die Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland in Würzburg (1971-1975) haben die Programmatik einer „Option für die Armen“ explizit aufgegriffen und sich damit identifiziert.

Schon Karl Rahner sagte, dass das Zweite Vatikanische Konzil die „Enteuropäisierung” der Kirche und die Öffnung auf eine wahrhaft katholische Kirche bedeutete. Doch erst Medellín konnte diesen Schritt wagen und die „konstantinische Allianz” (Marie-Dominique Chenu OP 1895-1990) mit der Macht gebrochen werden. Neben anderen wichtigen Ansätzen (Schwarze Theologie, Feministische Theologie, Kontextuelle Theologien) öffnete Medellín den Weg hin zu einer Kirche auf der Seite der Ohnmächtigen, inkarniert in die Welt der Armen und als Begleiterin des Volkes auf seinem Weg der Befreiung.

Denn in Medellín wurde der Geist des Konzils konkret auf die Lebenswirklichkeit der politisch und sozial unterdrückten Menschen vor Ort angewandt. Die Bischöfe kamen zu dem Schluss: So wie die Mehrheit der Menschen in Lateinamerika lebt, als Arme, als Ausgestoßene und Rechtlose, das entspricht nicht der Praxis und der Botschaft Jesu. Das ist eine Ungerechtigkeit, die zum Himmel schreit. Dieser Schrei nach dem täglichen Brot und nach Gerechtigkeit ist der Ruf Gottes heute an uns alle.

Für die Kirche in Deutschland ist es an der Zeit, endlich die theologischen und gesellschaftspolitischen Analysen von Medellín, von Würzburg und von Papst Franziskus aufzugreifen. Vielleicht entdecken wir uns dann als eine Kirche, die selbst in ein ausbeuterisches System eingebunden ist und von den herrschenden Verhältnissen mit profitiert. Das wäre eine sehr bittere Selbsterkenntnis, aber diese Einsicht ist notwendig, sonst kann es keine Umkehr geben.

Pressekontakte Wir sind Kirche-Bundesteam:
Magnus Lux, Tel: 0176 41266392, E-Mail: lux@wir-sind-kirche.de
Christian Weisner, Tel: 0172 5184082, E-Mail: weisner@wir-sind-kirche.de

Kontakt zu Dr. theol. Willi Knecht, der am Treffen der deutschsprachigen Fidei-Donum-Priester (Diözesanpriester, „ausgeliehen als Missionare“ an die Weltkirche) im April 2018 in Lateinamerika teilgenommen hat
Tel.: 0731-267905, E-Mail: willi@knecht-ulm.de

 

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Zuletzt geändert am 25­.08.2018