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Veröffentlicht am 04­.05.2022

Kirchenentwicklung Erzbistum Freiburg

Offener Brief von Prof. Norbert Scholl an den Freiburger Erzbischof Stephan Burger

In einem 12 Seiten langen offenen Brief wendet sich der 91-jährige Heidelberger katholische Theologe und Religionspädagoge Norbert Scholl an den Freiburger Erzbischof Stephan Burger. Der Bischof hatte ausdrücklich dazu eingeladen, für das Kirchenentwicklungsprojekt „Pastoral 2030“ ihm „Erfahrungen und Argumente“ zu senden.

Scholl weist darauf hin, wie nach den Aufbrüchen durch das Zweite Vatikanische Konzil sehr bald die Restauration einsetzte, beschleunigt und befördert durch die „in keiner Weise zukunftsträchtigen Pontifikate“ der beiden Päpste Johannes Paul II, und Benedikt XVI.. Exemplarisch nennt Scholl: Römische Missachtung der Ergebnisse der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland, der „Würzburger Synode“ (1971-1975); CIC (1983) mit dem fatalen Can. 1024: „Die heilige Weihe empfängt gültig nur ein getaufter Mann“; „Weltkatechismus“ (1992), der die Forschungsergebnisse historisch-kritischer Bibelexegese völlig ignoriert; Erklärung der Glaubenskongregation „Dominus Jesus“ über die Einzigartigkeit und die Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche (2000); Aufdeckung sexualisierter und spiritueller Gewalt (seit 2010); nahezu ständig steigernde Austrittswelle (allein 2020 und 2021 rund eine halbe Million).

Als mögliche Lösungsansätze schlägt Scholl vor:

  • Gemeindeleitung durch „Laien“, wie das in Deutschland vielfach schon seit 2019 geschieht
  • Änderung der Zulassungsvoraussetzungen für den priesterlichen Dienst: Ordination des gesamten Leitungsteams (Edward Schillebeeckx 1981);Zulassung von „viri probati“bzw. „personae probatae“ (schon seit 1975 regelmäßig und immer häufiger auch von Bischöfen gefordert); „Leutepriester“(P.M. Zulehner 2002; nur im Blick auf ihre eigene Gemeinde geweihte Priester/innen, die komplementär mit den real existierenden Priestern ortsgebunden als Team zusammenarbeiten).
  • „Laien“-Predigt in der Eucharistiefeier.
  • Ökumenische Gastfreundschaft („Votum“ des ÖAK 2019: „Der Ökumenische Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen betrachtet die Praxis der wechselseitigen Teilnahme an den Feiern von Abendmahl/Eucharistie in Achtung der je anderen liturgischen Traditionen als theologisch begründet“).
  • Segnung homosexueller Paare (Forderung der rund 215 Teilnehmer an der 3. Vollversammlung des „Synodalen Wegs“ vom 3.-5.2.2022 in Frankfurt, dass die katholische Kirche homosexuelle Paare segnet. Seelsorgern, die Segensfeiern durchführen, sollen keine disziplinarischen Konsequenzen drohen. Auch Homosexuelle und zivil wiederverheiratete Geschiedene sollen ihre Beziehung von der katholischen Kirche segnen lassen können).
  • Reform des kirchlichen Arbeitsrechts (Neufassung des seit 2015 geltenden kirchlichen Arbeitsrechts wird für den Sommer 2022 erwartet).
  • Religionsunterricht für alle im Klassenverband (Einführung eines „christlichen Religionsunterrichts“ in Niedersachsen ab 2023/24 und eines „Religionsunterrichts für alle“ [Rufa] in Hamburg 2022).

Scholl wirft zuletzt die Frage auf, ob nicht das eigentliche Problem der gegenwärtigen (ökumenischen!) Kirchenmisere eine tief verwurzelte „Gotteskrise“ (Johann Baptist Metz 1994) sei. Ein intensives Neu-Denken der Gottesfrage, der Christologie, der Trinitätslehre, der „Erbsündenlehre“ und schließlich der Ekklesiologie, eine Neuformulierung der tradierten Glaubenssätze (Credo) und der bisher dominierenden Theologie sind dringend und im wahrsten Sinn des Wortes Not-wendig geboten. Der katholischen Theologie steht zusätzlich noch eine Neu-Ausrichtung der Dogmen der letzten 150 Jahre ins Haus (Unfehlbarkeitsdogma, Jurisdiktionsprimat, Mariologie).

Scholl beschließt seinen Brief: „Ich bin mir bewusst, dass eine rasche Lösung – wenn überhaupt! – nicht erreichbar ist. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf.“

Vollständiger Offener Brief: www.wir-sind-kirche.de/files/wsk/2022/SCHOLL_OffBrief_Bischof_Burger_3.5.2022.pdf


Kontakt: Prof. Dr. Norbert Scholl, Tel: 06220-263, E-Mail: norbert_scholl@gmx.de

Pressekontakt Wir sind Kirche:
Christian Weisner, Tel: 0172 5184082, E-Mail: presse@wir-sind-kirche.de

Zuletzt geändert am 04­.05.2022