7.4.2011 - Süddeutsche Zeitung
Abschied im Zorn
All dies zählt nicht mehr. Es sind 2010 fast so viele Katholiken gegangen wie im Rekordjahr 1991 – 180.000, fast 40 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Und diesmal hat keine Steuerpolitik sie fortgetrieben, sondern der Skandal, dass so viele Männer der Kirche Kindern und Jugendlichen sexuelle Gewalt angetan haben, dass so lange dieser Kirche der Schutz der Institution wichtiger war als Hilfe für die Opfer und Konsequenz gegenüber den Tätern.
Die Austrittswelle ist das dramatischste Zeichen dieser Krise. Sie hat nicht nur den Rand der Institution erfasst, sie ist tsunamigleich bis zum Kern vorgedrungen zu den Treuen und Engagierten. Es geht nicht mehr nur, wer ohnehin gehen wollte. Es geht auch, wer gläubig ist, aber es satt hat, an seiner Kirche zu leiden. Und wendet sich hohnlachend ab, wenn nun die Bischöfe sagen, wir brauchen mehr Dialog, aber weh tun darf er nicht. Es sind nicht mehr, wie so viele Jahre zuvor, Abschiede aus Gleichgültigkeit. Es sind Abschiede im Zorn. (mad)
Zuletzt geändert am 08.04.2011