9.10.2009 - Süddeutsche Zeitung
Traumschiff Kirche
Zu den Sorgen der katholischen Kirche („Zollitsch predigt das Prinzip Hoffnung”, 22. September und „120 000 Austritte”, 23. September) schreiben Leser:
Matthias Drobinskis Bericht lässt mich an die TV-Sendung „Das Traumschiff” denken, in dem der Kapitän alle Teilnehmer am Ende der Kreuzfahrt ermuntert, das Leben mit neuem Schwung und voller Zuversicht neu anzupacken. So ermuntert auch Zollitsch die Mitglieder der katholischen Bischofskonferenz in ihren Diözesen jede Hoffnungsarmut entschlossen über Bord zu werfen. Dann las ich: Die katholische Kirche muss sich darauf einstellen, pro Jahr 100 000 Mitglieder zu verlieren. Damit war für mich jeder Gedanke an das Traumschiff der Kirche begraben. Ich musste vielmehr an das schreckliche Ende der Titanic denken, an jenen stolzen Luxus-Dampfer, der auf dem Atlantik an einem riesigen Eisberg zerschellte. Das römisch-katholische Kirchenschiff erleidet ein ähnliches Schicksal. Es zerschellt am riesigen Eisberg des blinden Gehorsams unter dem Papst. Die Kirchenaustritte beweisen es. Das dürfte nicht sein.
Auf der sinkenden Titanic tat der Kapitän wirklich alles, um möglichst viele Menschen an Bord seines Schiffes zu retten. Er schrieb auch kein Buch, wie der Vorsitzende Erzbischof: Der Hoffnung Gestalt geben. Nein, jener Kapitän wurde selber in seiner eigenen Person zur Hoffnung für die Ertrinkenden. Das wäre auch die Aufgabe der Bischöfe für alle ihnen anvertrauten Menschen. Sie sollten durch ihren persönlichen Einsatz für die Heimatlosen, Schwachen und Kranken glaubwürdige Zeugen der Hoffnung sein, indem sie einen prophetischen Nonkonformismus leben. Aber leider ist keiner der katholischen Bischöfe dazu bereit. Willibald Glas
Zuletzt geändert am 10.10.2009