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Veröffentlicht am 02­.01.2012

2.1.2012 - Süddeutsche Zeitung

Von guten Hirten und allmächtigen Herren

Bayerns Bischöfe geben sich Rom gegenüber linientreu – viele Laien empfinden die Abkehr vom „Weltlichen“ indes als befremdlich



Bildunterschrift: Wer heute beim Christentum alles mitreden will...
Sprechblase: Schon wieder so ein aufdringlicher Laie Euer Eminenz
mit freundlicher Genehmigung von Dieter Hanitzsch


Was wollte Jesus Christus, was das Zweite Vatikanische Konzil? Abkehr von oder Hinwendung zur Welt? Diese Fragen sind schnell und eindeutig zu beantworten. Hat etwa die katholische Kirche durch die Säkularisierung der Gesellschaft verloren oder hat sie die Chance bisher versäumt, die Botschaft Christi zu lehren und vor allem zu leben? Zentralismus und Reformverweigerung mit einhergehender Entmündigung der Bischöfe, der Gemeinden und der einzelnen Gläubigen kann die Menschen – nicht nur in Europa – auf Dauer nicht überzeugen. Wenn die Menschen sich von einer solchen Gemeinschaft abwenden, dann hat das überwiegend nichts mit einem Glaubensmangel zu tun, sondern mit dem konsequenten Verhalten von erwachsenen Glaubenden.
Walter Hürter, Ingolstadt

„Der Himmel ist oben, die Hölle ist unten, dazwischen sind wir!“ Dieses auf altorientalische Mythologie beruhende Weltbild der Kirche bestimmt bis heute den offiziellen Glauben der Kirche. Das Zweite Vatikanische Konzil versuchte mit zarten Schritten, sich dem Menschen und seinen heutigen Problemen zuzuwenden. Benedikt XVI. bläst zum Rückzug. Darum ist es die Aufgabe der Gläubigen, sich zu „entweltlichen“, was immer das heißen mag, um den Himmel, die Seligkeit und das ewige Leben bei Gott zu erreichen und nicht in der Hölle zu landen. Und was sagen die Bischöfe? Sie blasen ins gleiche Horn – wie auf dem Kasernenhof. Kardinal Marx gibt sich nur vordergründig leutselig, seine Grundtendenz ist absolut linientreu. Man redet viel von Christus, dem Herrn. Doch Jesus spielte nirgendwo den Herrn. Manche Bischöfe schon.
Lorenz Huber, Altomünster

Der Mangel an Priestern nimmt zu, die verbliebenen Priester werden überfordert, die Glaubwürdigkeit der Kirchenleitungen schwindet ob dieser Handlungsunfähigkeit. Und die möglichen Alternativen werden kategorisch abgelehnt. Würde es verheiratete und zölibatäre, weibliche und männliche, haupt- und nebenberufliche Priester wie in den von Rom unabhängigen altkatholischen Bistümern geben, so könnte durch diese Vielfalt das kirchliche Leben wieder gedeihen. Die Ober-Hirten zeichnen sich durch Machterhalt, Misstrauen und Hierarchiegläubigkeit aus, die das Klima in der Kirche stark belasten. Gebraucht wären Freude und Hoffnung gemäß der Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils „Gaudium et spes“ und die Möglichkeit von echter Mitbestimmung und Mitverantwortung aller Kirchenmitglieder nach den alten kirchlichen Prinzipien der Synodalität und Subsidiarität. Das scheinen aber Fremdwörter für die sieben bayerischen Diözesanbischöfe zu sein. So vertieft sich weiter die Kluft zwischen der Kirchenleitung und den Mitgliedern.
Axel Stark, Passau

Wenn es nach dem Auftreten kirchlicher Amtsträger geht, wäre eine Abkehr von der Welt wünschenswert. Ein Klerikerstand, in dem es Monsignores, Exzellenzen und Eminenzen gibt, widerspricht voll dem Denken und Handeln des Begründers der Kirche und erinnert eher an die dekadenten Machtstrukturen des zerfallenen Römerreiches.
Simon Kirschner, Gaimersheim

Gerade der jüngste Beitrag macht überdeutlich, dass der deutsche Katholizismus in seinen maßgebenden Kreisen in all den Jahren nichts dazugelernt hat. Die Bayerischen Bischöfe stehen dafür nur beispielhaft. Statt von Himmel und Hölle zu predigen und zu lehren, sollte man die Gläubigen mit den Ergebnissen der historisch-kritischen Exegese und der Bibelwissenschaft bekannt machen. „Reich Gottes“ war für Jesus keine jenseitige Welt, sondern eine Lebensordnung, eine Lebensweise in der Welt der Menschen. Er lebte, wie er lehrte, und er lehrte, wie er lebte.
Oskar Faus, Dudenhofen

Wer die Jahre des Aufbruchs nach Konzil und Würzburger Synode vor fast einem halben Jahrhundert zusammen mit einem Kardinal wie den aus der Diözese Würzburg stammenden Münchner Kardinal Julius Döpfner erleben durfte, kann über die Kleinmütigkeit der heutigen bayerischen Bischöfe nur staunen. Sie verstehen sich mehr als Statthalter Roms denn als Stellvertreter Christi. Der Loyalitätsdruck aus dem Vatikan lässt bei ihnen jede theologische und pastoral-praktische Eigenständigkeit vermissen. Einer wie Kardinal Marx vermochte seine Hörigkeit lange Zeit geschickt hinter populistischem Auftreten rhetorisch zu verschleiern. Ganz verbergen kann er sie jetzt nicht mehr. Die Krise der Autorität der Bischöfe zeigt sich in deren Abkehr von der Welt der Laien und umgekehrt. Nur merken die Bischöfe es offenbar nicht.
Dr. Edgar Büttner, Bad Aibling

„Entweltlichung“ scheint zum Un-Wort des Jahres in der römisch-katholischen Kirche zu werden. Es passt ja so schön für alles, was man schon lange in dieser Kirche ändern wollte – zum Konservativen hin, versteht sich. Kirche müsse wieder als Kirche sichtbar sein. Ein richtiges Wort. Die Diagnose stimmt, aber die Therapie ist falsch. Entweltlichung wird verstanden als Rückzug auf die Insel der Seligen, man könnte auch sagen als Sakristei-Christentum. Wer die „böse Welt“ als Ursache für alles Negative ausmacht, der habe den wahren Glauben, sagt man. Was ist nun die Therapie, die die Kirche wieder gesunden lässt? Eine Abkehr von allem Weltlichen in der Form von Personenkult, den wir beim Papstbesuch erlebt haben? Eine Abkehr von der Hierarchie in der Kirche? Eine Abkehr von der Zwei-Klassen-Gesellschaft Kleriker – Laien, in der sich einige wenige anmaßen, die Erwählten zu sein?
Wer sich jeweils neu an der befreienden Botschaft des Evangeliums orientiert, dem wird klar werden: Kirche ist nicht Selbstzweck, sondern sie ist Verkünderin des Reiches Gottes.
Magnus Lux, Schonungen

Barock, machtbewusst, kompromisslos, hierarchiegläubig, misstrauisch und zornigst – so die Attribute für Bayerns katholische Bischöfe und den Kardinal; Mitglieder wenden sich in Scharen von der Kirche ab. Ein Wunder, dass sich überhaupt noch welche als „Herde“ hergeben und zu den „guten Hirten“ aufschauen, die nicht einsehen wollen, dass die Zeit des Absolutismus mit seinen Untergebenheitsvorstellungen und der prunkvollen Prachtentfaltung jedenfalls in Europa und selbst in Bayern schon längst vorbei ist. Vor dem Jüngsten Gericht wird öfter, als manche jetzt annehmen, zu hören sein: „Erstmal in das Fegefeuer!“ Und Jesus wird den Kirchenmännern enttäuscht hinterherblicken und sagen: „Ich habe ihnen doch was anderes vorgelebt.“
Michael Mieslinger, Eichenau

Zuletzt geändert am 17­.01.2012