18.3.2015 - Süddeutsche Zeitung
Kirche am Scheideweg
"Ein Stadtpfarrer als Papst" vom 13. März und "Mensch Papst" vom 10. März:
Einen Papst, der "Prunk, starre Rituale, Prachtgewänder, Paläste" ablehnt, sollte man nicht abwertend als "Stadtpfarrer" bezeichnen. Und wenn er sich nicht als "oberster Bestimmer, Maßregler und Definator" aufführt, sollte man dies nicht als "fremdeln" mit seinem Dienst als Bischof von Rom interpretieren. Es zeigt nur, wie tief das Erbe der "Konstantinischen Epoche" und der "Papst-Könige mit Tiara" im (Unter-)Bewusstsein so mancher Katholiken verankert ist. Ja, es stehen zwei Kirchenmodelle im Streit und wir müssen uns entscheiden, für welches Kirchenmodell wir uns engagieren wollen. Wollen wir eine mächtige und reiche katholische Kirche mit einem "mächtigen Papst" an der Spitze der Kirchenpyramide oder eine dienende, arme katholische Kirche, die die Freude des Evangeliums in Wort und noch mehr in Tat allen Menschen verkündet und praktiziert? Wollen wir eine Kirche auf Seiten der armen, entrechteten, unterdrückten, verfolgten und vertriebenen Menschen weltweit? Und wollen wir als Katholiken die gehorsamen, Geld spendenden, aber passiven Mitglieder einer von wenigen Männern geleiteten Kirche sein oder wollen wir aktive, mitverantwortliche und sozialethisch handelnde Mitglieder der Kirche sein? Papst Franziskus hat sich auf den beschwerlichen Weg einer den Menschen dienenden, armen Kirche gemacht. Das wird ein langer Lernprozess werden. Traditionen der Macht und des Prunkes, der Besitzstandswahrung und des vermeintlichen Besitzes der absoluten Wahrheit stehen dagegen und haben viele Katholiken geprägt. Franziskus kann diesen Weg nicht allein gehen, er braucht unser Mit-Gehen, unser Gebet und unsere Hilfe. Das Papstamt und die gesamte Kirche werden sich dabei ändern, sie können evangeliumsgemäßer werden und damit mehr in der Nachfolge Jesu stehen.
Axel Stark, Passau
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Zuletzt geändert am 23.03.2015