2.7.2017 an die Kölner Kirchenzeitung
Leserbrief zu: „Zukunft der Kirche von Köln“
Räte in Köln machen sich Sorgen um die Zukunft der Kirche hier vor Ort. Dabei unterstützen sie leider eine Entwicklung, die seit einigen Jahren weltweit in der katholischen Kirche abläuft: Die Größe der Pfarreien wird der Zahl der Priester angepasst. Das führt zu Strukturen, in denen der einzelne Christ untergeht, völlig vereinsamt. Weltweit weisen Basisgruppen und einzelne engagierte Christen immer wieder auf diesen Umstand hin. Von den Bischöfen werden diese Argumente völlig ignoriert.
Es wäre viel besser, vorhandene Gemeinden nicht zusammen zu legen, sondern zu teilen und kleinere, überschaubarere Gebilde zu schaffen. Ich bin nicht der einzige, der sicher ist, dass in den nächsten dreißig Jahren der Priestermangel sich noch schnell weiter verschärfen wird. Dagegen sieht das Kirchenrecht der katholischen Kirche geeignete Maßnahmen vor. Nach Canon 517 CIC kann der Bischof eine Gemeindeleitung durch Laien einsetzen. In den Fällen, in denen das in Europa versucht wurde, ist das gut gelungen.
Wenn aber der Bischof in eine Gemeinde keinen Priester senden kann, der die Eucharistie feiert, kann eben diese sonntägliche Feier durch eine „Zeit des Gebetes“ ersetzt werden. So steht es in Canon 1248. Dazu braucht es dann keinen geweihten Mann oder sonst eine hauptamtliche Person. Diese „Zeiten des Gebetes“ wären eine vortreffliche Chance, Menschen wieder an die Gemeinde zu binden und behutsam neue Formen der „Feier des Gedächtnisses von Tod und Auferstehung Jesu“ zu entwickeln.
Der Canon 1335 gibt die Möglichkeit, wegen Heirat dispensierte Priester doch noch angemessen weiter zu beschäftigen und sie im Notfall auch Sakramente spenden zu lassen. Wenn dieser Canon großzügig ausgelegt würde, wäre in manchen Fällen Hilfe in der Seelsorge möglich.
Auf Dauer werden sich die strukturellen Schwierigkeiten in der katholischen Kirche nur dann beenden lassen, wenn das kirchliche Gesetz, dass alle Männer mit Weihe dem Zölibat unterliegen, vorsichtig abgeschafft wird. Und: Alle Frauen müssen ohne jede Einschränkung zu allen Ämtern, Diensten, Weihen und Aufgaben in der katholischen Kirche zugelassen werden.
Ich bin skeptisch, dass ein Gesprächsprozess im Erzbistum Köln irgend ein greifbares Ergebnis bringen wird. Ich erinnere an diese Geschichte: Als der Missbrauchsskandal vor einigen Jahren bekannt wurde, hat Herr Erzbischof Zollitsch einen bundesweiten Gesprächsprozess angestoßen. Es blieb bis zuletzt unklar, wer denn da mit wem worüber geredet hat. Das Ergebnis war mager: „Es war schön, dass wir miteinander geredet haben.“
Aus meiner Sicht nehmen die Bischöfe, auch Herr Kardinal Woelki, die Wirklichkeit nicht wahr. Sie sprechen eine Sprache, die nicht verstanden wird. Es wäre daher hilfreich, wenn die §§ 2 und 3 in Canon 212 ersetzt würden durch Formulierung ähnlich wie in Art. 17 GG: Jede Frau und jeder Mann hat das Recht, sich schriftlich mit Bitten und Anfragen, mit Beschwerden und Vorschlägen und Kritik an den Pfarrer, den Bischof und den Papst zu wenden. Das Büro hat binnen zweier Arbeitstage den Eingang der Schrift zu bestätigen. Der jeweils angesprochene hat in angemessener Frist in der Sache zu antworten. Seit Anfang Januar liegen in den Bistumsverwaltungen die Zahlen der Austritte von 2016 vor. Wenn in wenigen Wochen überall Sommerferien sind, werden sie unauffällig bekannt gegeben.
Es wäre aus meiner Sicht unverzichtbar, dass unter diesen Menschen, die die Kirche verlassen ebenso wie bei jenen, die fast nie mehr zu einer Veranstaltung ihrer Kirche kommen, jedes Jahr eine repräsentative Befragung nach den Gründen für ihr Verhalten veranstaltet wird. Das sollten Organisationen machen, die eher nicht katholisch sind.
Vermutlich kommt dabei heraus, dass nicht die Kirchensteuer der große Störenfried ist, sondern dass so manches, was die katholische Kirche fest zu glauben lehrt, gar nicht mehr glaubhaft und vermittelbar ist. Zwei dieser Punkte wären die Erbsündenlehre und die Ehelehre des Augustinus (gestorben 430).
Ebenso zwingen die Physik und die Ergebnisse anderer Naturwissenschaften aus den letzten 60 Jahren zu einer Überarbeitung der katholischen Dogmatik. Ich könnte das alles auch ganz modern ausdrücken: Wer drückt endlich auf die Reset-Taste und startet bei der katholischen
Kirche damit einen völlig neuen Systemstart?
Wilhelm Gatzen
Zuletzt geändert am 02.07.2017