9.6.2020 - sueddeutsche.de
Papst Benedikt XVI.:Er hätte das Amt nie haben dürfen
Leserbriefe zum Interview mit Peter Seewald über Papst Benedikt XVI. am 16./17. Mai 2020:
Joseph Ratzinger hat beim Thema sexueller Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche auf eklatante Weise versagt. Und selbst im Ruhestand soll er noch keine Ruhe geben.
Ihm fehlt es an allem
Ratzinger/Benedikt hat seiner Kirche geschadet. Er ist verantwortlich für ein Klima von Angst und Denunziation. Zur Führung des größten und ältesten Global Players fehlte ihm alles. Es fehlt ihm an Menschenkenntnis, Empathie, Integrationskraft und Mut. Ratzinger hätte nie Bischof, nie Papst werden dürfen. Und er kann keine Ruhe geben. Er polarisiert weiterhin. Seinen Nachfolger bremst er aus, wo es nur geht. Regelmäßig bricht er sein Versprechen, sich zurückzuziehen. Der Synodale Weg bietet vielleicht einen Ausweg. Franziskus sei Dank.
Edgar Büttner, Bad Aibling
Außerdem auf der Seite Leserbrief von Thomas Pfister, München, und Konrad Haberger, Hauzenberg
https://www.sueddeutsche.de/kolumne/papst-benedikt-xvi-er-haette-das-amt-nie-haben-duerfen-1.4931860
* * *
Vollständiger Leserbrief von Dr. Edgar Büttner an die Süddeutsche Zeitung
Kritiker von Josef Ratzinger, dem „genialen Denker“, so Peter Seewald, seien von Vorurteilen geleitet, unaufrichtig und desinformiert. Der Nichttheologe Seewald unterschätzt, wie grobschlächtig der „Feingeist“ Josef Ratzinger als Chef der Glaubenskongregation jahrzehntelang die besten Theolog*innen als vermeintliche Gegner des Glaubens malträtierte. Als Papst konfrontierte er sogar den Salvadorianischen Befreiungstheologen Jon Sobrino SJ, den Berater des heiligen Oskar Romero. Er ersetze „Gott“ durch „Geschichte“. Mit der Attacke auf Jon Sobrino sprach er implizit den angesehensten Exegeten und systematischen Theologen - katholischen wie evangelischen – die Klarheit in zentralen Glaubensfragen ab. Einspruch zwecklos. Zu Recht ist Ratzinger in der akademischen Theologie isoliert. Er ist kein „Mozart der Theologie“ - eher ein „Meister geschliffener Rhetorik“. Als er die Piusbrüder, darunter den Holocaustleugner Bischof Williamson, bedingungslos wieder in die Kirche aufnahm, bescheinigte er Kritikern „sprungbereite Feindseligkeit“.
Ratzinger/Benedikt hat seiner Kirche geschadet. Er ist verantwortlich für ein Klima der Angst und Denunziation. Zur Führung des größten und ältesten Global Players fehlte ihm alles. Es fehlt ihm an Menschenkenntnis, Empathie, Integrationskraft und Mut. Den mittlerweile pensionierten Gerhard Müller ernannte er zum zweiten Mann im Vatikan. Ratzinger hätte nie Bischof, nie Papst werden dürfen. Und gäbe es Bischofswahlen durch das Volk Gottes wäre er es nie geworden.
In dem sehenswerten Dokumentarfilm „Verteidiger des Glaubens“ beleuchtet Christoph Röhl die Schattenseite Ratzingers. Zur sexualisierten Klerikergewalt ließ dieser 2010 verlauten der "Teufel hat der Kirche Schmutz ins Gesicht geworfen.“ Seit 2020 sind es die „linken 68er“. Der Schutz des Pflichtzölibats war ihm wichtiger als der Schutz der Opfer. Das Zölibat stand über allem. Dementsprechend mussten Priester, die eine Familie gründen wollten, oft jahrelang auf ihre Dispens warten und verloren jede Möglichkeit, den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien in der Kirche zu verdienen. Dagegen brachte er Fundis wie den „Legionären Christi“, dem „Werk“ und den Piusbrüdern Achtsamkeit entgegen.
Der Theologe Wolfgang Beinert, ein langjähriger kritischer Freund der Geschwister Ratzinger, beschreibt, wie sein Freund Josef früh unter den Einfluss apokalyptisch denkender Leute geriet. Die moderne Welt wurde immer böser: „Ratzinger hat eigentlich nichts Gutes an ihr gelassen. ... Sein Lebens-Wollen, das aufs Gute, aufs Heile, auf Gott, auf die Liebe Gottes zu den Menschen gerichtet war, das hat er nicht verwirklichen können. Er ist gerade da immer wieder gescheitert. Und insofern kann man von einer Tragik reden. Das, was er wollte, hat er eigentlich nicht erreicht.“
Deshalb kann er keine Ruhe geben. Er polarisiert weiterhin. Seinen Nachfolger bremst er aus, wo immer er kann. Regelmäßig bricht er sein Versprechen, sich zurück zuziehen. Deutsche Bischöfe, einstmals loyale Gefolgsleute wie Reinhard Marx, versuchen neuerdings dem langen Schatten Ratzingers zu entfliehen. Der „Synodale Weg“ bietet vielleicht einen Ausweg. Franziskus sei Dank!
info@dr-buettner.com
Bad Aibling, 30.5.2020
Zuletzt geändert am 12.06.2020