5.8.2020 - Mainpost
Römische Schreibtischtheologie
Leserbrief in Main-Post-online 05.-08-2020 (hier etwas geändert)
„Insider“, d.h. Leute, die öfter in den katholischen Gottesdienst gehen, wissen, dass es ab und an „Hirtenbriefe“ gibt, nämlich Schreiben des Diözesanbischofs, die am Sonntag anstelle der Predigt verlesen werden. Darüber hat bereits Eugen Roth gedichtet: „Seit alters steht, nebst manchem Schiefen, viel Richtiges in Hirtenbriefen.“ Das regte Pater Karl Rahner SJ (+1984) einmal an, weiter zu reimen: „Doch neuerdings ist’s umgekehrt. Das Schiefe hat sich stark vermehrt.“ (siehe Albert Keller SJ: Sinn im Unsinn. Worüber Jesuiten lachen. Würzburg 2010, S. 44)
Das Schreiben der römischen Behörde ist windschief und wäre zum Lachen, wenn einem nicht das Lachen im Hals stecken bleiben würde, weil es positionelle Autorität für die Weltkirche beansprucht. Der Text bietet, neben einigem Pathos, weltfremde Lösungen, nämlich ausschließlich auf Priester in der Leitung von Pfarreien zu setzen, von denen es inzwischen allerdings viel zu wenige gibt. Die Initiatoren, offensichtlich zwei deutsche Priester im Vatikan, wollen den Klerikalismus zementieren, den zu bekämpfen sie vorgeben.
Die ablehnenden Reaktionen sind, mit üblichen Ausnahmen, erfreulich einmütig. Erzbischöfe, Bischöfe, hauptamtliche Laien im kirchlichen Dienst und Ehrenamtliche lehnen diese Schreibtischtheologie klar ab. Das hätten sich die Bischöfe unter den beiden Vorgängern von Franziskus nicht getraut. Im Fränkischen haben Bischof Dr. Ludwig Schick und Dr. Michael Wolf, vom Würzburger Diözesanrat Würzburg, die Anleitung massiv kritisiert. Sie ist weltfremd. Die Verbände der Pastoral- und Gemeindereferent*innen veröffentlichten kritische Stellungnahmen, ebenso die Pfarrerinitiativen in Österreich und Deutschland.
Das ist das Beste an der gezielten Provokation von „oben“ - mehr ist es ja nicht - sie reizt zum Widerspruch. Dieser geballte Widerstand ist ein sehr gutes Zeichen. „Roma locuta, causa non est finita.“ (Ganz frei übersetzt: Rom hat entschieden. Die Diskussionen gehen trotzdem weiter.) Nicht zum ersten Mal fördert Franziskus breite Multiloge. Wohl deshalb lässt er solche Schreiben durchgehen. Von außen betrachtet lässt sich mittelfristig eine Strategie ableiten: 2019 Amazonien, jetzt die Deutschen mit dem Synodalen Weg, 2021 das Regionalkonzil in Australien, 2022 eine weltweite Synode zu „Synodalität“. Von Innen betrachtet fordert es Umdenken, kontroverse Diskussionen, Entscheidungen. Das Verhältnis von Reformer*innen zu Strukturkonservativen beträgt beim Synodalen Weg 90 zu 10 Prozent. Bei den Bischöfen etwa 80 zu 20. Zu Pessimismus besteht kein Anlass. Es dürfte für gute Vorlagen reichen.
Auf dem Schreibtisch der Kleruskongregation landen täglich Dispensgesuche vom Zölibat. Die Beamten der Kurie wissen also über die Not vor Ort Bescheid. Wenn sie nicht darauf eingehen, sind die Ordinarien in den Bistümern gefordert. Als einer von Dutzenden verheirateter Würzburger Priester – im deutschsprachigen Raum sind es um die 2000 – frage ich mich, wieso wir in den vielen Pastoralplänen nicht vorkommen. Als „Arbeiterpriester“ mit solider Ausbildung und hoher Motivation könnten wir, neben dem Zivilberuf, gute Seelsorgearbeit leisten. Und es würde fast nichts kosten.
Dr. Edgar Büttner
Am Egart 4c
83043 Bad Aibling
08061 / 3127
Zuletzt geändert am 07.08.2020