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Veröffentlicht am 22­.04.2022

20.4.2022 - sueddeutsche.de

Fundamentaler Vertrauensverlust. Auch Marx zögert zu sehr

Die katholische Kirchenleitung hat außer Betroffenheitsbekundungen bisher nur wenig getan, um die Skandale wegen sexuellen Missbrauchs glaubwürdig zu bekämpfen.

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Auch Marx zögert zu sehr

Kardinal Marx gehört sicher zu den fortschrittlicheren Bischöfen in Bayern und in Deutschland, vielleicht sogar weltweit. Aber seine konkreten Reformschritte hinken leider immer noch den Ankündigungen und Betroffenheitsbekundungen hinterher, die der SZ-Beitrag dokumentiert. Das Thema "sexualisierte Gewalt und deren Vertuschung" steht nicht erst seit 2010 auf der Tagesordnung. Bereits 1995 war der Missbrauchsskandal um den Wiener Kardinal Hans Hermann Groër Anlass für das KirchenVolksBegehren "Wir sind Kirche" in Österreich, das dann auch in Deutschland mehr als 1,8 Millionen Unterschriften erhielt. Marx, der sich damals noch gegen Reformen aussprach, wurde 1996 Weihbischof in Paderborn. 2001 wurde er zum Bischof von Trier bestellt. Zu der Zeit gab es die großen Missbrauchsenthüllungen in den USA, die bei uns noch niemand wahr haben wollte. Wenn jetzt die bayerischen Bischöfe auf ihrer Frühjahrsversammlung in Regensburg wieder nur vage Ankündigungen zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs machten ("die Bischöfe bekräftigen ihren Willen...", "gemeinsam wollen sie weiter überlegen..."), reicht das bei weitem nicht aus, den Vertrauensverlust in die katholische Kirchenleitung aufzuhalten. Aber Kardinal Marx ist zuzustimmen, wenn er sagt, dass sexueller Missbrauch im Raum der Kirche das "Gesamtsystem in Frage" stellt und die "Kirche als Ganze sich dem Thema stellen" muss. Nur Mut, das Kirchenvolk ist bereit!

Christian Weisner, Dachau

https://www.sueddeutsche.de/kolumne/kirche-und-missbrauch-fundamentaler-vertrauensverlust-1.5569211

Zuletzt geändert am 21­.04.2022