27.1.2012 - KNA
"Gläubige müssen mündig werden"
München - Der Münsteraner Theologe Johann Baptist Metz hat die Seelsorgeplanung der katholischen Kirche in Deutschland kritisiert. Durch die Bildung "monströser Großraumpfarreien" werde der "Beteiligungsschwund" der Gläubigen immer mehr vergrößert, bemängelte der Professor am Donnerstagabend in München bei einem Vortrag in der Katholischen Akademie in Bayern. Die Folge seien wachsende "Anonymität und Konfusion".
Dabei wäre es wichtig, dem Erfahrungsaustausch der Gläubigen untereinander Raum zu geben und sie religiös mündig werden zu lassen, betonte Metz. Gemeinden müssten künftig "lernbereite Erzählgemeinschaften" sein. Der 83-Jährige zählt zu den wichtigsten katholischen Theologen in Deutschland. Wegen des Priestermangels werden derzeit in nahezu allen deutschen Bistümern Pfarrgemeinden zu größeren Einheiten zusammengelegt.
Kirche in Mitteleuropa aufgegeben
Die deutschen Bischöfe forderte Metz auf, "endlich damit ernst zu machen, dass sie nicht nur zum jeweiligen Papst gehören, sondern auch zu ihren Gemeinden". Sie müssten dann "viel energischer in Rom das Recht ihrer Gemeinden auf Eucharistie einfordern". Dem Vatikan hielt der Theologe vor, dass er sich für die Kirche in Mitteleuropa "nicht mehr wirklich interessiert", sondern sie im Grunde aufgegeben habe. Wenn in Rom von der Weltkirche gesprochen werde, sei das meist gegen Europa gerichtet. Dabei werde übersehen, dass es eine "krisenfreie Kirchlichkeit nirgendwo mehr" gebe.
Mit Blick auf den Dialogprozess der katholischen Kirche in Deutschland sprach sich Metz dafür aus, "nicht primär über Strukturfragen zu sprechen". Statt dessen sollten sich die Katholiken über ihre Glaubenserfahrungen und -nöte austauschen. Für die Probleme der Kirche seien indes "nicht nur mangelnde Gläubigkeit, sondern auch eine anhaltende Reformunwilligkeit der kirchlichen Institution" verantwortlich. Entscheidend werde sein, wie das vor 50 Jahren begonnene Zweite Vatikanische Konzil mit seinen Anliegen lebendig bleibe. Dieses habe "nicht auf rückwärtsgewandte Patina-Reformen" abgezielt, sondern auf eine produktiv-kritische Auseinandersetzung mit der Moderne.
Historische Wahrheit nicht unterschlagen
Im Zusammenhang mit der Debatte um Religionsfreiheit forderte Metz die Kirche auf, um ihrer Glaubwürdigkeit willen die historische Wahrheit nicht zu unterschlagen. Glaubens- und Gewissensfreiheit, die die Kirche heute für sich und andere reklamiere, hätten erst gegen sie erstritten werden müssen, vor allem von der Reformation und der politischen Aufklärung. Die Auseinandersetzung mit Anhängern einer negativen Religionsfreiheit und dem buddhistischen Denken seien zwei zentrale aktuelle Herausforderungen für die Kirche.
Gegen die Spiritualität Buddhas, die in eine "antlitzlose All-Einheit" münde, müsse das Christentum eine "Mystik der offenen Augen" setzen, sagte Metz. Der christliche Glaube könne nicht das Leid anderer ausblenden. Er müsse vielmehr "eine Schule des Sehens" sein, "um die ins Blickfeld zu rücken, die sonst unsichtbar bleiben".
http://www.katholisch.de/Nachricht.aspx?NId=7747
Zuletzt geändert am 28.01.2012