10. November 2012
Bundestagspräsident Norbert Lammert erhält Preis der Eugen-Biser-Stiftung
> Link zur kompletten Sendung des Festakts in BR extra
Die sehr empfehlenswerten Manuskripte dieser Veranstaltung vor allem von Prof. Richard Heinzmann, Prof. Paul Kirchhoff und dem Preisträger Prof. Norbert Lammert können als PDF und auch als Broschüre angefordert werden bei: Eugen-Biser-Stiftung, Pappenheimstraße 4, 80335 München, Tel: 089-18 00 68-11 E-Mail: kontakt@eugen-biser-stiftung.de
Weitere Informationen: www.10-jahre.eugen-biser-stiftung.de
Süddeutsche Zeitung 12.11.2012
„Kirche muss sich auf die moderne Welt einlassen“ – und sollte dies vor allem durch einen längst überfälligen Schritt leisten: Sie müsse die Spaltung zwischen katholischer und evangelischer Kirche endlich überwinden. Der das am Samstagvormittag in der Allerheiligen-Hofkirche ganz gelassen und mit wach-blitzenden Augen ins Mikrofon spricht, ist Deutschlands zweiter Mann im Staate, Bundestagspräsident Norbert Lammert . Als neu gekürter Träger des Eugen-Biser-Preises und überzeugter katholischer Ökumene-Anhänger mahnt er, diesen „Skandal der Christenheit“, diesen „größten Anachronismus unserer Zeit“, doch bitte historisch zu überarbeiten. „Ich bin überzeugt, die Wiederherstellung der Einheit wird kommen.“
Kardinal Reinhard Marx macht derweil betont freundliche Miene in der ersten Reihe und raunt während Norbert Lammerts umjubelter Rede seiner Nachbarin, einer bayerischen CSU-Spitzenpolitikerin, später zu: „Der räumt ja so ziemlich alles ab hier.“ Ja, Lammert hält in seinem eleganten Rededuktus vor katholischen, evangelischen, orthodoxen und islamischen Kirchenvertretern und politischer Prominenz von Alt-Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel bis Innenminister Joachim Herrmann nicht hinterm Berg mit seinen kirchenkritischen Einträgen ins katholische Stammbuch: „Ich bin auch überzeugt, dass der Heilige Geist am Ende stärker ist als die Theologen.“ Den Reformbedarf – etwa für mehr Laien- und Frauenbeteiligung – illustriert Lammert mit einem persönlichen Resümee: „Nie war meine Identifikation mit meiner Kirche größer als zur Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils.“ Heute hingegen kümmere sich die katholische Kirche mehr um Dogmatik als um praktische Seelsorge. „Dieses Gefühl von Stagnation wird auch nicht besser dadurch, dass der Eindruck vorherrscht, dass die Integration von Pius-Brüdern wichtiger ist als die von Donum Vitae.“
Lammert , den 63-jährigen CDU-Politiker, Sozialwissenschaftler und Bochumer Bäckermeisterssohn, hat die vor genau zehn Jahren in München gegründete Eugen-Biser-Stiftung einstimmig und erkennbar mit Begeisterung zum sechsten Träger des gleichnamigen Preises erkoren. Denn auch der in München hochbetagt lebende Eugen Biser, einer der bedeutendsten katholischen Theologen und Religionsphilosophen der Zeit, hat die Kritik an seiner Kirche nicht gescheut, Position bezogen für den interreligiösen Dialog und zur Toleranz gemahnt.
So muss Biser, der den Festakt in der Allerheiligen-Hofkirche gesundheitsbedingt daheim am Fernsehschirm verfolgte, wohl zufrieden gewesen sein, als Lammert als Mitbegründer der aktuellen Initiative „Ökumene jetzt“ einerseits die Bedeutung des Wertesystems Religion für die Politik betonte. Denn „Religionsverlust ist Orientierungsverlust, kein Modernitätsgewinn.“ Andererseits wünscht sich Lammert aber einen „jüdisch-christlich-islamischen Trialog, der mehr ist als Smalltalk“, wozu auch gehöre, „die Ebenbürtigkeit des Islam anzuerkennen“ und die „Attitüde kultureller Überlegenheit“ aufzugeben.
Benjamin Idriz, Imam aus Penzberg, schwärmte anschließend von Lammerts „wunderbarer Rede für den interreligiösen Dialog“. Alois Glück, Vorsitzender des Zentralrats der deutschen Katholiken, strahlte ob der „ebenso nachdenklichen wie auch herausfordernden Rede“ Lammerts: „Er benennt mutig, was innerkirchlich zu sagen ist.“ Nur einer rang nachher ein wenig um sportliche Haltung: Münchens Kardinal Marx. Der findet „sehr gut, dass sich Christen in der Politik engagieren, auch wenn das manchmal kritisch ist – aber das gehört mit dazu“.
TOM SOYER
Zuletzt geändert am 21.12.2012