Veröffentlicht am 01.05.2015
Mai 2015
Jesuiten-Zeitschrift für flexibleres Kirchenrecht
Die renommierte Jesuiten-Zeitschrift
„Civilta Cattolica“ hat sich für eine
flexiblere Anwendung des Kirchenrechts
ausgesprochen. „Das Recht ist
für den Menschen da, nicht umgekehrt“,
schreibt der italienische Kanoniker
und Rechtsphilosoph Ottavio De
Bertolis in der jüngsten Ausgabe. Das
Urteil über einen Tatgegenstand darf
nach Worten des Jesuiten nicht von
allgemeinen, starren und abstrakten
Normen ausgehen, sondern muss immer
den Lebenskontext des jeweiligen
Menschen miteinbeziehen. Dabei gilt
es für ihn zu berücksichtigen, „dass es
nicht nur um einen Tatbestand geht,
sondern um einen Fall, um Personen,
nicht um Nummern, um Menschen,
nicht um Untertanen“.
Ein allzu starres Rechtsverständnis
könne zu Ungerechtigkeiten führen
und „verwechselt den Tempel mit Gott
selbst“. Dieser sei immer der letzte
Ursprung aller theologischen Rechtsüberlegungen,
schreibt De Bertolis. Er
verweist darauf, dass auch Papst Franziskus
schon häufig vor einer Selbstbezogenheit
innerhalb der Kirche gewarnt
habe. Sie führe stets zur Gefahr
der „Korruption“, zitiert ihn der Jesuit.
Benedikt XVI. (2005-2013) zitiert der
Autor mit den Worten: „Wenn man
das Naturrecht und das positive göttliche
Recht sowie die lebenswichtige
Beziehung eines jeden Rechts zur Gemeinschaft
und Sendung der Kirche
praktisch vergisst, wird die Arbeit des
Auslegers der lebenswichtigen Verbindung
mit der kirchlichen Wirklichkeit
beraubt.“
Der Beitrag De Bertolis steht im
Kontext einer breiten innerkirchlichen
Debatte über Lockerungen in bestimmten
kirchenrechtlichen Fragen.
So treten etwa zahlreiche hochrangige
Kirchenmänner und Theologen dafür
ein, das generelle Eucharistieverbot für
wiederverheiratete Geschiedene stärker
vom jeweiligen Einzelfall abhängig
zu machen und unter bestimmten Bedingungen
Ausnahmen zuzulassen.
Zuletzt geändert am 29.04.2015