19.2.2008 - Süddeutsche Zeitung (München)
zu "Wappen, Stab, Stuhl und ein kritisches Interview" 29. Januar 2008
Der Kirche geht es nicht um Freiheit, sondern um die Aufrechterhaltung von Strukturen, statischen Normen und einengenden Gesetzen. Sie fordert Dogmen-, Autoritäts und Gehorsamsglauben als Vorbedingung für die Freiheit. Die größte Angst der Kirche ist die vor der Freiheit. Wer diese Freiheit, als Katholik in exponierter Stellung, für sich – im Namen Jesu – in Anspruch nimmt, der hat nichts zu lachen.
Dabei ist Jesus gerade nicht als Gesetzeslehrer in die Welt gekommen, die (die Gesetzeslehrer) haben ihn im Gegenteil an den Galgen geliefert. Er ist gekommen um zu befreien, zu heilen und den Mensche die Angst („Angst” kommt von „Enge”) zu nehmen, die sie in erster Linie unfrei und unfähig macht(e). Jesus stieg in die Niederungen der menschlichen Existenzen hinab und gab den Verstummten wieder ihre Sprache zurück. Er öffnete den Tauben die Ohren für den Ruf der Freiheit. Selbst diejenigen, die für das Leben bereits gestorben waren, führte er ins Leben zurück, ohne ihnen erneut ein unfrei machendes Regelwerk überzustülpen. Jesus machte die befreiende Liebe Gottes zu den Menschen erfahrbar, erlebbar und erspürbar.
Darin manifestiert sich ja ausschließlich das unterscheidend Christliche, nicht in der Einforderung eines lieblosen Regelwerkes wie es zum Teil andere Religionen tun. Will Kirche Zukunft haben, dann muss sie sich bemühen, diese befreiende Liebe immer wieder und immer wider neu erfahrbar und erlebbar zu machen. Gott ist ein erfahrbarer Gott, sonst wäre alles Reden über ihn grund- und sinnlos. Denn „ubi spiritus domini ibi libertas”; wo der Geist des Herrn (erfahren wird) ist, da ist Freiheit. Oder aber, um es mit den Worten eines Kirchenliedes aus dem Gotteslob zu sagen: „Ubi caritas et amor, ibi Deus est” – „Wo die Güte und die Liebe ist, da ist Gott.”
Egon Weiß, Fraunberg
Zuletzt geändert am 21.02.2008