Leserbrief an die Süddeutsche Zeitung
Zum Artikel "Tut dies zu meinem Gedächtnis" von Robert Spaemann
Mit Spaemanns Ausführungen habe ich einige grundsätzliche Probleme:
1. Er spricht im Zusammenhang mit der Eucharistie von „Gottesverehrung …, die durch die Worte geschieht: ‚Das ist mein Leib…’“. Bei der christlichen Eucharistiefeier steht nicht die Gottesverehrung im Mittelpunkt, sondern das „Gedächtnis seines (Christi) Todes und seiner Auferstehung“ (Katechismus der Kath. Kirche, 271). „Die Eucharistie ist das österliche Mahl“ (Ebd., 287).
2. Spaemann sagt unter Bezug auf die Worte „Tut dies zum meinem Gedächtnis“: „’Dies’ – das das heißt nicht: etwas Ähnliches, sondern dasselbe.“ Dasselbe? Ein lateinisches Pontifikalamt soll „dasselbe“ sein wie das Geschehen beim Abendmahl, wie es uns die Evangelien überliefern? Allenfalls – wenn überhaupt – dasgleiche.
3. Spaemann fragt: „Wie kann das Inkommensurable gegenwärtig und sichtbar gemacht werden?“. Eine Antwort findet er im „alten römischen Ritus“, den aber „Experten“ zu einem “Fremdkörper“ gemacht haben. Die heutige Eucharistiefeier in der Landessprache ein Fremdkörper? Hat Jesus denn lateinisch gesprochen? Hat er seinen Jüngern weiße, papierartige Plättchen als „Brot“ gereicht? Hat er alleine aus dem Becher getrunken?
4. Spaemann fordert, „dass die Priesterzentriertheit beendet wird, die den Priester der Gemeinde gegenüberstellt statt ihn an der Spitze des Gottesvolkes gemeinsam mit der Gemeinde in die gleiche Richtung blicken und beten zu lassen.“ Auch hier verkennt Spaemann völlig das Wesen der Eucharistie: Sie ist eben nicht zuerst eine Weise der Gottesverehrung oder Gottesanbetung, bei der es in der Tat sinnvoll wäre, wenn alle „nach Osten oder aufs Kreuz“ schauen, wie Spaemann das verlangt. Aber bei der Eucharistie handelt der Priester „in der Person Christi“ (Katechismus der Kath. Kirche, 278). Und da erscheint es durchaus sinnvoll, wenn er nicht jenen den Rücken zukehrt, die am Heiligen Mahl teilnehmen. Jesus dürfte das beim Abendmahl auch nicht getan haben.
5. Spaemann behauptet, das 2. Vatikanische Konzil habe „eine behutsame Reform unter Beibehaltung des Latein beschlossen. “ Das ist schlicht falsch. Spaemann bezieht sich vermutlich auf die Liturgiekonstitution Art. 36,1: „Der Gebrauch der lateinischen Sprache soll in den lateinischen Riten erhalten bleiben, soweit nicht Sonderrecht entgegensteht.“ Aber es gibt auch noch einen anderen Text, den Spaemann (wider besseres Wissen?) unterschlägt: „Der Muttersprache darf im Sinne von Art. 36 dieser Konstitution in den mit dem Volk gefeierten Messen ein gebührender Raum zugeteilt werden“ (Art. 54).
6. Spaemann sieht im „alten römischen Ritus“ ein „humanes Widerlager zu einer formlosen und der Beliebigkeit frönenden Zeit“, ein „Kontrastprogramm“, das eine „ganz neuartige Faszination“ ausübt. Das ist schon starker Toback. Ein lateinisches Hochamt mit Weihrauchschwaden und Orchestermesse als „humanes Widerlager“? Human = Ästhetisierend? Das Gedächtnis des Todes und der Auferweckung Jesu als „Kontrastprogramm“? Ist dieser Vergleich dem Mysterium der Eucharistie angemessen? Eine „ganz neuartige Faszination“? Geht es bei der Eucharistie um Faszination? „Die Eucharistie ist das Zeichen der Einheit, das Band der Liebe, das österliche Mahl, in dem Christus genossen, das Herz mit Gnade erfüllt und das Unterpfand des ewigen Lebens gegeben wird“ (Katechismus der Kath. Kirche, 271).
Ich meine, Herr Professor Spaemann täte gut daran, den Katechismus der Kath. Kirche gründlich zu lesen und zu verinnerlichen.
Prof. Dr. Norbert Scholl, Wilhelmsfeld
Zuletzt geändert am 12.03.2007