28.06.2007 - Donaukurier
An eigenen Gesetzen vorbei navigiert
Da mag ein gegenreformatorischer Reflex im Spiel sein, wenn Rom erlaubt, einem vom evangelischen zum katholischen Glauben konvertierten Ehemann und Familienvater die Priesterweihe zu erteilen. Aufschlussreich ist dabei, mit welchen Windungen die Amtsträger aufwarten, um an ihren eigenen Gesetzestexten vorbei zu navigieren.
Der verheiratete Neupriester "bejahe voll und ganz das katholische Amtsverständnis". Ja, wie denn, wenn im kirchlichen Gesetzbuch unter c.277 §1 CIC dokumentiert ist "Die Kleriker sind gehalten, vollkommene und immer währende Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen zu wahren; deshalb sind sie zum Zölibat verpflichtet, der eine besondere Gabe Gottes ist, durch welche die geistlichen Amtsträger leichter mit ungeteiltem Herzen Christus anhangen und sich freier dem Dienst an Gott und den Menschen widmen können.", und in c.599 CIC weiter begründet wird "Der um des Himmelreiches willen übernommene evangelische Rat der Keuschheit, der ein Zeichen der künftigen Welt und eine Quelle reicherer Fruchtbarkeit eines ungeteilten Herzens ist, bringt die Verpflichtung zu vollkommener Enthaltsamkeit im Zölibat mit sich."
Weshalb soll bei einem Fahnenwechsel nicht mehr gelten, was in den eigenen Reihen als unumstößlich vertreten wird? Da offenbart der en passant eingestreute Hinweis auf die ostkirchliche Praxis der Priesterheirat die ganze Widersprüchlichkeit der kirchenamtlichen Argumentation. Nicht nur aus pastoralen Erwägungen (Priestermangel), sondern um der Glaubwürdigkeit der Papstkirche willen und der Gerechtigkeit gegenüber den mit Berufsverbot sanktionierten verheirateten Priestern wäre es dringend geboten, die bis ins 12. Jahrhundert bestehende Tradition der verheirateten Priester wieder zu beleben. Schließlich war der erste Papst ein Ehemann – und viele nach ihm auch.
Dem Neupriester Hans-Tilman Golde und seiner Familie Gottes Segen!
Herbert Tyroller, Augsburg
Zuletzt geändert am 28.06.2007