8.5.2010 - spiegel.de
Erzbischof stellt Priester-Zölibat in Frage
Augsburg/München - In der Debatte um sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche kommt immer wieder auch der Zölibat ins Spiel: Ist die verordnete Enthaltsamkeit für Priester einer der Gründe für die in den vergangenen Monaten bekannt gewordenen Fälle? Jetzt fordert ein hoher Würdenträger eine Diskussion über den Zölibat: "Ich wäre dafür, dass man darüber nachdenkt", sagte der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick im Gespräch mit dem SPIEGEL. Sein Vorschlag: Nur Bischöfe, Ordensleute und Domkapitulare sollten sich zur Ehelosigkeit verpflichten.
Als Lehre aus dem Missbrauchskandal verlangt Schick generell einen Kurswechsel im Klerus: "Die Kirche insgesamt muss offener werden." Dazu gehöre mehr Verantwortung für die Laien. "Sie müssen von den Amtsträgern mehr einbezogen und gehört werden. Und sie müssen mehr in Entscheidungsgremien mitwirken", sagt Schick, "da muss in den Bistumsleitungen und sicherlich auch auf Weltkirchenebene mehr geschehen." Auch sollten "Frauen mehr in der Kirche mitwirken, und zwar in der Pastorale als Gemeindereferentinnen und Pastoralreferentinnen - aber auch in unseren Leitungsgremien".
Schick, der sich als katholischer 68er versteht, rät besonders seinen konservativen Amtsbrüdern zum Kurswechsel. "Es hat in der Kirche auch Rückschritte gegeben. Es gab Verfestigungen und Verkrustungen, Angst vor der bösen Welt." Konservativen und Liberalen in der Kirche sei es "in den letzten Jahren nicht gelungen, gut im Dialog zu sein. Den Dialog müssen wir wiederaufnehmen".
Entscheidung des Vatikans über Mixa steht bevor
Unterdessen wird mit Spannung das weitere Vorgehen des Vatikans im Fall des Augsburger Bischofs Walter Mixa erwartet. Nach Medienberichten hat Papst Benedikt XVI. das Rücktrittsangebot angenommen, das Mixa am 21. April eingereicht hatte. Eine Bestätigung aus Rom gab es dafür zunächst nicht. Den Berichten zufolge will der Vatikan die Entscheidung am Samstagmittag bekanntgeben. Mixa hatte nach wochenlanger Kritik um eine Prügel- und Finanzaffäre seinen Rücktritt angeboten. Am Freitag waren zusätzlich Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen den Augsburger Oberhirten bekannt geworden.
Unmittelbar nach einer Annahme des Rücktritts muss das Augsburger Domkapitel zusammentreten und einen sogenannten Diözesan-Administrator aus seinen Reihen wählen, der das Bistum bis zur Ernennung eines neuen Bischofs leitet. Als aussichtsreicher Kandidat wird Weihbischof Anton Losinger gehandelt. Gleichzeitig verlieren dann nach dem Kirchenrecht der Priesterrat und Generalvikar Karlheinz Knebel automatisch ihre Funktionen, da sie unmittelbar dem Bischof unterstellt sind. Erfahrungsgemäß dauert die Neubesetzung eines Bischofsstuhls rund ein Jahr.
Die Ingolstädter Staatsanwaltschaft hatte Vorermittlungen wegen sexuellen Missbrauchs eines Minderjährigen gegen Mixa aufgenommen. Inzwischen sind weitere belastende Details bekannt geworden. Nach Informationen des SPIEGEL soll der 69-Jährige in seiner Zeit als Bischof von Eichstätt häufig junge Seminaristen des Priesterseminars "Collegium Willibaldinum" mit in seine Privaträume im Bischofshaus eingeladen und mit ihnen gemeinsame Saunabesuche unternommen haben.
Mixa, der für eine Stellungnahme nicht zu erreichen war und über seinen Augsburger Anwalt die Vorwürfe "mit aller Entschiedenheit" zurückweisen ließ, soll, so heißt es in Kirchenkreisen, homosexuelle Neigungen gehabt haben. In der Szene wurde über seinen Spitznamen "Monsi" - abgeleitet von Monsignore - gespottet.
Schon seit längerem hatte im Kirchenmilieu darüber Verwunderung geherrscht, wie es Mixa gelang, auffallend viele junge Männer in seine Priesterseminare zu locken, selbst solche, die in anderen Bistümern als ungeeignet abgelehnt worden waren. Mixa, von 1996 bis 2005 Bischof in Eichstätt, hatte in öffentlichen Appellen jungen Seminaristen geraten, "auf sexuelle Kontakte, sei es mit Andersgeschlechtlichen oder Gleichgeschlechtlichen, zu verzichten".
Überdies hatte Mixa wiederholt die Lesben- und Schwulenparade "Christopher Street Day" und Lebensgemeinschaften von Schwulen und Lesben kritisiert. Mixas mögliche sexuelle Verfehlungen sollen vorvergangene Woche bereits beim Gespräch zwischen dem Papst und drei ranghohen deutschen Kirchenvertretern in Rom eine Rolle gespielt haben, da man innerhalb der Augsburger Kirche offenbar schon länger darüber Bescheid wusste.
mbe/dpa
Zuletzt geändert am 08.05.2010