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Veröffentlicht am 05­.07.2010

Juli 2010 - Kontinente

Interview mit Monsignore Jan Dumon „Wir müssen zurück zum Konzil“

Hervorhebungen durch Wir sind Kirche.

Während die Zahl der Priester in Europa sowie in Nord- und Südamerika zurückgeht, steigt sie in Afrika und Asien kontinuierlich an. Über 409000 Priester verzeichnet der Vatikan derzeit. Monsignore Jan Dumon leitet das Päpstliche Apostel-Petrus-Werk für die Priesterausbildung.

Bevor im Juni das von Papst Benedikt XVI. ausgerufene Priesterjahr zu Ende geht, hat kontinente Monsignore Jan Dumon, den Generalsekretär des Päpstlichen Missionswerkes des Heiligen Apostels Petrus (POSPA), das sich um die Ausbildung von Priestern und Ordensleuten in den Ortskirchen kümmert, zum modernen Priestersein befragt.

Was ist ein guter Priester?

Ein guter Priester ist je­mand, der sich im Innersten seines Lebens und seiner Motivation mit der Mission Jesu Christi identifizieren kann. Es ist jemand, der an der Seite der Menschen ist. Bei denen, die keine Chance haben — egal, ob sie körperlich oder seelisch, sozial oder moralisch krank sind. Er ist Teil der Gemeinschaft aller Söhne und Töchter Gottes. Das ist es, was das Evangelium Reich Gottes nennt.

Brauchen wir verschiedene Priestertypen in den verschiedenen Erdteilen?

Natürlich haben wir verschiedene Arten von Priestern. Wir haben die, die es als ihr geistliches Amt ansehen, die Menschen im Namen Jesu Christi als Gemeinschaft zusammenzubringen und das Reich Gottes zu verwirklichen. Und wir haben den klerikalen Priester, der seine Funktion formaler und ritueller versteht, der sich mehr in den Gebäuden und Strukturen der Kirche zu Hause fühlt als auf den Marktplätzen. Ich fürchte, die Ausbildung von Priestern geht in einigen Ländern mehr in die Richtung dieses Priestertyps. In Afrika oder Asien ist der klerikale Priester vielleicht verbreiteter. Die europäischen Priester haben die Krise des Klerikalismus schon durchlaufen. In Afrika und Asien muss diese Krise erst noch kommen oder wird noch nicht erkannt.

Muss sich etwas verändern in der Kirche?

Wir müssen die Kirche zuallererst als Kirche des Volkes Gottes verstehen. Wenn wir in Strukturen denken, die vom Klerus gemanagt werden, dann werden die Laien immer als Ausführende dessen begriffen, was der Klerus entschieden hat oder plant. Oder sie sind im besten Fall Berater des Klerus. Dem Neuen Testament zufolge sind die Priester jedoch die Helfer der Gemeinschaft und die Laien die Helfer der Priester. Die Priester müssen bei den Menschen sein! Die Institution Kirche muss zurückkehren zum gesamten Prozess des Zweiten Vatikanischen Konzils. Im Moment gibt es aber eine Bewegung zurück zu dem, was vor dem Zweiten Vatikanum war, worauf das Konzil die Antwort sein wollte. Wir brauchen ein neues Aggiornamento, eine neue Öffnung! Der Knackpunkt ist, ob wir es schaffen, die Frohe Botschaft in die Gesellschaft hineinzutragen. Das wird nicht gelingen, wenn wir außerhalb der Gesellschaft stehen und in unserer eigenen Welt leben — auch wenn wir manchmal „nette Dinge“ tun, etwa im sozial-karitativen Bereich. Um es in der Fußballsprache zu sagen: Manches sieht aus wie ein Tor, ist aber Abseits. Wir merken nicht, dass vieles, was wir in der Kirche sagen und tun, wirklich Abseits ist.

Sollte Papst Benedikt etwas dagegen tun?

Es ist nicht so sehr ein Problem des Papstes. Es ist ein Problem des gesamten Systems. Das kann man nicht in einigen Teilen oder mit einigen Interventionen verändern. Ich denke, das System muss erst zusammenbrechen, bevor die lebendige Kirche eingreifen kann. In Europa stehen wir noch in der kontinuierlichen Entwicklung. Ein Teil der Kirche wird weiterbestehen, wo sie eine gewisse Macht hat und in die sozialen Strukturen eingebunden ist. Die interessantesten Schauplätze in der Kirche sind aber dort, wo sie diese Situation nicht haben. Dort, wo Christen gelernt haben, selbst in kleinen Minderheiten Christen zu sein. An diesen Orten ist die Kirche sehr lebendig.

Blicken Sie optimistisch in die Zukunft der Kirche?

Ich weiß nicht, ob die Kirche als Ganzes, besonders unter dem Einfluss des Westens, fähig ist, sich zu ändern. Während des Zweiten Vatikanischen Konzils waren alle überzeugt, dass sie es kann. Aber die jüngste Geschichte zeigt: Sobald sie es kann, gerät sie wieder unter den Einfluss von Christen, die ihre eigene Vision der Gesellschaft verwirklichen wollen. Ich hoffe, dass die ernsten Probleme, die wir seit einigen Monaten und Jahren haben, eine Einladung sein können, um die autoritären Strukturen zu verändern und uns der Gesellschaft zu öffnen. Unsere Identität kann keine andere sein als die von Jesus Christus. Nicht die Identität von Macht und Lobbybildung und all dem. Das ist nicht unser Wesen. Unsere Identität ist die eines gekreuzigten Mannes. Die Frage ist: Können wir eine brüderliche Kirche werden? Eine Kirche, in der es keine Frage ist, ob einer höher steht als der andere, sondern wo klar ist: Ihr habt nur EINEN Vater und ihr seid alle Brüder.

Was kann POSPA dazu tun?

Die Ausbildung der Priester ist extrem wichtig, nicht nur aus theologischen Gründen. Es ist ein ehernes Gesetz, dass eine Gemeinschaft nicht ohne jegliche Institutionalisierung existieren kann. POSPA fördert eine qualitätsvolle Ausbildung. Natürlich fördern wir auch, ohne es zu wollen, die Ausbildung zu einem sehr klerikalen Priestertum, das den Opferpriester hervorbringt, der sich in der täglichen Eucharistie selbst als Opfer hingibt. Das lässt sich nicht leugnen. Jede Kirche muss den Weg für die Ausbildung ihrer Priester nach dem Prinzip Versuch und Irrtum finden. Ich komme grade aus Ghana, wo ich junge Seminaristen besucht habe. Ich bin sehr beeindruckt von der Qualität des Personals in den Seminaren und von den Visionen dort. Ghana zählt zu den besten Ortskirchen in Afrika. Es hat mich sehr ermutigt, dass POSPA hierbei geholfen hat. Dies geschieht durch soviel mehr als durch finanzielle Unterstützung: Es ist zuallererst eine Sache von Gemeinschaft und Gebet. Natürlich bleibt die finanzielle Förderung wichtig. Die Ausbildung von Priestern wird immer teuer sein. Eine Kirche, die darum kämpfen muss, ihren Klerus zu bezahlen, könnte zwar ihr gesamtes Budget in die Priesterausbildung stecken — doch sie muss von der Obrigkeit gesponsert werden. Ich habe aber andererseits ein Problem damit, wenn in den Ortskirchen jemand erwartet, dass die universale Kirche für die gesamte Ausbildung der Priester aufkommt. Es kann immer nur ein Beitrag sein, den wir leisten.

In Europa, Nord- und Südamerika sinken die Priesterzahlen, in Afrika und Asien steigen sie. Wird POSPA die Priesterausbildung in der westlichen Welt künftig stärker fördern?

POSPA ist bislang kaum eingebunden in die Priesterausbildung in Europa, mit Ausnahme von Albanien sowie Bosnien und Herzegowina. Unsere Arbeit ist an die Ortskirchen in Afrika, Asien und Ozeanien gekoppelt. Ich habe den Eindruck, dass die Zeiten, als die Seminare Lokomotiven waren, die automatisch vorangefahren sind, weit zurückliegen. In der Ausbildung der Priester hängt alles davon ab, wer die Ausbilder sind. Ich halte es für wichtig, dass wir ein Team von Ausbildern mit verschiedenen Fähigkeiten und Charismen haben. Die Seminare müssen Raum bieten für Forschung und Freiheit. Sie dürfen nicht sein, was wir in Zaire, dem heutigen Kongo, wo ich lange tätig war, die „Schule der Partei“ nannten. Darum brauchen wir in den Seminaren auch so gut ausgestattete Bibliotheken — das ist auch ein Bereich, in dem POSPA hilft. Die meisten Ausbilder und Bischöfe sind sich zum Glück bewusst, dass wir unsere Seminaristen nicht vor den Gefahren der „äußeren“ Welt zu schützen brauchen. Wir müssen ihnen die geistige Nahrung geben, die sie befähigt, ein Teil der Gesellschaft zu sein und wirklich mit den Menschen kommunizieren zu können.

Das Gespräch führte Hildegard Mathies


ZUR PERSON
Monsignore Jan Dumon, im Juli 1942 in Brüssel geboren, ist seit 2005 Generalsekretär des Päpstlichen Missionswerkes des Heiligen Apostels Petrus (POSPA). Davor war der Belgier Nationaldirektor von Missio Belgien. Zwei Wochen nach seiner Priesterweihe, die er 1969 in Leuven erhielt, wurde Jan Dumon in den Kongo, damals noch Zaire, gesandt, wo er 17 Jahre als Priester und Professor an den Seminaren in Mbujo-Mayi und Kananga tätig war. POSPA fördert die Ausbildung des Klerus in den Ortskirchen.

http://www.kontinente.org/magazin/archiv/2010/03-2010.html

Zuletzt geändert am 05­.07.2010