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Veröffentlicht am 17­.07.2010

17./18. Juli 2010 - Frankfurter Rundschau

Reformen jetzt! Schluss mit der Männerkirche!

Engagierte Katholikinnen fordern das Ende der Männerkirche. In der Frankfurter Rundschau treten sie ein für volle Gleichberechtigung, die Zulassung von Frauen zu den Ämtern und mehr Dialog. Sie erklären, warum die volle Beteiligung von Frauen nicht einfach eine Frage der Macht ist, sondern des Überlebens.

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Mein Orden ist in der Kirche wie ein System im System: Alle Oberen sind weiblich, ich kann Leitungsaufgaben übernehmen, die mir in der Kirche sonst verschlossen wären. Das ist eine Oase. Ihre Quellen müsste die Kirche anzapfen, finde ich. Das gilt für das dominikanisch- demokratische Element ebenso wie für die volle Beteiligung von Frauen. Dass wir bei aller Selbständigkeit ausgerechnet dann auf einen Mann - den Priester - angewiesen sind, wenn wir Messe feiern wollen, das stört mich.

Wären in der Kirche von Anfang an auch Frauen führend tätig gewesen, wäre die Kirche eine andere: nicht so machtbewusst, nicht so ehrpusselig. All die Titel, das höfisch-feudale Getue sind Frauen, die Kinder zur Welt bringen und großziehen müssen, nicht so wichtig. Was den Missbrauchsskandal betrifft, denke ich: Klar, der Satz "mit Frauen kein Kindesmissbrauch" ist vereinfachend und darum falsch. Richtig ist, dass Pädophilie vor allem bei Männern vorkommt.

Und natürlich haben wir in der Kirche ein günstiges System für Missbrauch: die Geschlossenheit, Tabus und moralische Zeigefinger, die klerikale Hierarchie, das Bild vom Priester als "dem unantastbaren heiligen Mann", das Fehlen von Foren für kritischen Dialog. Und Männer oder auch Frauen mit pädophilen Neigungen suchen sich genau solche Systeme - in der Kirche oder woanders. Und darum müssen wir dieses System verändern, wenn wir gute Prävention erreichen wollen!

Sr. Jordana Schmidt OP, geb. 1969, ist Dominikanerin von Bethanien und Autorin, sie arbeitet als Erziehungsleiterin im Bethanien Kinderdorf Schwalmtal-Waldniel. Sie war Sprecherin des "Worts zum Sonntag".

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Es ist ja nicht so, als ob Frauen überall in der Gesellschaft schon voll beteiligt wären, bloß in der katholischen Kirche nicht. In meiner Branche bin ich auch überwiegend von Männern umgeben. Umso mehr merke ich, wie gut es tut, auf immer mehr Frauen in Führungspositionen zu treffen.

Was in meiner Männerwelt zumindest möglich ist, schließt die Kirche aber leider von vorneherein aus. Als bekennende Katholikin weiß ich zwar, dass das Priesteramt nicht mit einem Job in einem Verband oder Unternehmen zu vergleichen ist. Aber warum sollte die Entscheidung, sein Leben ganz Gott und der Seelsorge zu widmen, alleine Männern vorbehalten sein?

Ich kann es ja verstehen: Jede Veränderung bringt Unruhe und führt erst einmal zur Ablehnung bei denjenigen, die es sich bequem eingerichtet haben. Viele Männer - auch die Kleriker - haben ihre Zirkel und Kaminzimmer, ihre eigenen Umgangsformen. Da wirken Frauen oftmals störend.

Es gibt aber auch die gute Erfahrung: Männer, die untereinander eher in Sieger-Verlierer-Kategorien denken, reagieren positiv darauf, dass ich Konflikte offen und transparent angehe. Frauen haben eben ihre eigene Art. Die bunte Mischung macht´s! Aber die Kirche bleibt hier eintönig. Dabei geht es mir gar nicht um eine Kampfansage, sondern um die Wahrnehmung des Verlusts.

Natascha Sasserath-Alberti, geb. 1972, ist Juristin beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft in Berlin.

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Ich kenne viele verständnisvolle Priester und Bischöfe. Denen kann ich versuchen, zu erklären, was mich als Frau und Christin bewegt. Aber es bleibt eine Kluft zwischen Erklären, Verstehen und dem eigenen Erleben. Deshalb glaube ich, der Schmerz vieler Frauen über ihr Zurückgesetztsein ist letztlich für die Männer in der Kirche nicht nachvollziehbar. Sie erfassen diese Dimension der Diskriminierung nicht.

Ich denke zum Beispiel an die Unkultur des Ehrenamts in der Kirche, wie ich sie in meiner eigenen Familie erlebt habe: Mein Vater war Stiftungsratsvorsitzender, meine Mutter Kommunionhelferin. Frauen leiten die Kindergruppe und backen den Kuchen fürs Pfarrfest. Wollen sie mehr, laufen sie vor die Wand oder ins Leere. Ich spreche gar nicht von persönlicher Schuld. Die Diskriminierung geht weniger von Einzelnen aus als von Strukturen, maskulin geprägten Strukturen. Und die sind nun einmal unheimlich schwer zu ändern.

Ermutigend wirkt auf mich, dass immer mehr Priester und Bischöfe beginnen, Defizite zuzugeben. Trotzdem gibt es immer noch eine große Scheu von Frauen in der Kirche, gerade bei Theologinnen und anderen im kirchlichen Dienst beschäftigten Frauen, offen über ihre Diskriminierung zu sprechen und ihre Rechte einzufordern, weil die Hierarchie bisher darauf immer abwehrend und aggressiv reagiert hat. Das muss sich endlich ändern.

Ursula Fehling, geb. 1982, ist Bundesvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ).

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Mich ärgert an der katholischen Kirche, dass sie die Frauen einfach nicht wahrnimmt. Dabei sind wir die Hälfte. In der Bibel gibt es keine Schlechterstellung der Frauen. Gott hat Männer und Frauen nach seinem Bild geschaffen. Jesus hatte Frauen in seiner Gefolgschaft und ihnen auch verantwortungsvolle Aufgaben übertragen.

Aber die Kirche hat sich zum Patriarchat entwickelt und Regeln aufgestellt, die die Frauen diskriminieren. Männer haben Ämter geschaffen für Männer - und sich so die alleinige Entscheidungsgewalt verschafft. Gerade weil ich die Kirche liebe, leide ich darunter. Jetzt braucht die Kirche Reformen. Frauen, die qualifiziert sind, sollten genau die gleichen Aufgaben übernehmen wie Männer, die qualifiziert sind.

Außerdem muss das Zwangszölibat aufgehoben werden. Jeder kann ehelos leben, aber die Ehelosigkeit darf nicht an ein Amt gebunden werden. Mit tut es wahnsinnig weh zu sehen, wie die katholische Kirche zurzeit dasteht. Es ist ein Trauerspiel.

Lea Ackermann, geb.1937, ist Ordensschwester und Gründerin der Frauenhilfsorganisation Solwodi.

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Als Frau in der Kirche bin ich es gewöhnt, einen langen Atem haben zu müssen. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass es für Frauen, die Kirche mitgestalten wollen, schwieriger geworden ist. Das hierarchische, zentralistische System hat sich noch einmal verhärtet. Der römische Patriarchalismus wirkt auf viele Frauen abschreckend bis abstoßend.

Wenn Frauen nach Leitungs- oder Weiheämtern in der Kirche streben, wollen sie meistens nicht Teil dieser Männerhierarchie werden, sie wollen sie verändern hin zu einer partizipativen Kirche, in der die vorhandenen Energien genutzt und vernetzt sind. Das Paradoxe ist ja, dass auch Papst und Bischöfe viel von Veränderung sprechen, selbst aber am wenigsten dazu bereit erscheinen.

Wie notwendig das wäre, zeigen die jüngsten Krisen und Skandale. Ich frage mich manchmal, wie sehr die Kirche noch leiden muss, bis da endlich etwas aufbricht. Die Zeit dafür ist reif. Wir Frauen wissen das längst. Aber auch bei einigen - wenigen - Bischöfen beginnt sich diese Einsicht durchzusetzen. Bischof Franz-Josef Bode aus Osnabrück etwa hat jetzt das Thema "Diakonat der Frau" offen angesprochen. Mal schauen, was daraus wird.

Magdalena Bogner, geb. 1947, war Vorsitzende der katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) und Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).

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Überall wird ganz selbstverständlich über Frauenförderung geredet, nur in der katholischen Kirche erfahren Frauen früher ihre Grenzen als anderswo. Das finde ich wenig motivierend, aber auch eine Vergeudung von Fähigkeiten und Ressourcen, auf die unsere Kirche doch so sehr angewiesen ist. Unsere Kirche braucht mehr denn je einen Aufbruch in die Zukunft.

Die rückwärtsgewandten Tendenzen spalten und laden nicht zur Mitarbeit ein. An der Teilhabe und Mitsprache von Frauen entscheidet sich diese Zukunftsfähigkeit. Frauen sollten deshalb zu allen Führungsämtern zugelassen werden. Viele Gemeinden leiden unter einem immer größer werdenden Seelsorgedefizit. Die weniger werdenden Priester sind mit Verwaltungsaufgaben überfordert.

Heute sind Frauen bereits die wesentlichen Stützen, wenn es um die Sakramentenvorbereitung geht. Sie haben die Qualifikation, auch die Gemeindeleitung zu übernehmen. Aus der Bibel lässt sich nicht ableiten, Frauen den Zugang zu Weiheämtern zu verweigern. Damit ist es eine Frage des kirchenpolitischen Willens und der Einsichtigkeit.

Karin Kortmann (SPD), geb. 1959, war Staatssekretärin im Entwicklungsministerium und lange Jahre Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend.

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Die katholische Kirche lebt von den Frauen. Sie sind in den Gemeinden die Engagiertesten und Verlässlichsten. Die Amtskirche aber wird nur von katholischen Männern repräsentiert. Das hat nur wenig mit dem zu tun, was in der Kirche gelebt wird. Ich habe das Gefühl, die Amtskirche und die übrigen Gläubigen stehen fast nebeneinander. Und das fällt auf. Frauen sollten zum Priesteramt und zum Diakonat zugelassen werden. Das würde eine neue Sichtweise bringen. Es wäre auch sinnvoll, das Amt zu öffnen für verheiratete Männer.

Wegen der Missbrauchsfälle befindet sich die Kirche in einer tiefen Verunsicherung. Aber auch so ist sie in einer schwierigen Lage. Es gibt zu wenig Priester, und die sind völlig überfordert, weil sie bis zu fünf Gemeinden betreuen müssen. Reformen sind nötig. Ich glaube aber, dass es nur kleine Lockerungen geben wird. Deshalb ist die Forderung nach dem Diakonat für Frauen wohl strategisch richtig, auch wenn man sie vom feministischen Standpunkt aus für falsch hält - denn eine Diakonin wäre dann immer noch dem männlichen Priester untergeordnet."

Barbara Hendricks, geb. 1952, ist Mitglied des SPD-Präsidiums und gehört dem ZdK an.

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Ich erlebe häufig, dass Frauen in der Kirche in besonderer Weise ihre Loyalität unter Beweis stellen müssen. Das erschwert ihren Berufsweg, auch akademisch. Das könnte sich ändern, wenn Leitungspositionen in der Kirche selbstverständlicher mit Frauen besetzt würden. Realistisch betrachtet, wird das jedoch nur schrittweise gehen.

Der entscheidende Punkt ist hier die Frage der Zulassung zu den Ämtern. Eine Zulassung von Frauen zum Diakonat wäre ein großer Schritt. Das kirchliche Lehramt sagt, es sei ihm verwehrt, Frauen zu den Weiheämtern zuzulassen. Es beruft sich dabei häufig auf die Tradition - Traditionen sind aber nicht zwingend unabänderlich. Schwerer wiegt das Argument, dass Gott in einem Mann Mensch geworden sei und daher nur von Männern repräsentiert werden könne.

Doch wenn für die Menschwerdung Gottes das Geschlecht Jesu entscheidend wäre, dann wäre Gott in seinem Wesen männlich, und zudem wäre die Hälfte der Menschheit nicht erlöst. Sollten zukünftig weiterhin keine Veränderungen stattfinden, werden sich in unseren Breiten wohl immer mehr Frauen von der Kirche ab- bzw. gar nicht mehr zuwenden.

Saskia Wendel, geb. 1964, ist Professorin in Köln und Vorsitzende des Theologinnen-Netzwerks "Agenda".

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Was könnte die Schieflage in der Kirche deutlicher machen als das Schicksal von Ordensfrauen? Ihr hingebungsvoller Dienst wird mit "Gotteslohn" vergütet. Priester und Bischöfe dagegen beziehen satte Beamtengehälter. Für Nonnen, die ihren Orden verlassen, wird seit 1957 der geringst mögliche Beitrag an die Sozialversicherung nachgezahlt, so dass die Frauen am Existenzminimum darben müssen. Der innerkirchlichen Ächtung folgt so auch noch der soziale Sturz ins Nichts. Solch einen Skandal könnte sich keine andere "Firma" leisten. Hier muss sich die Kirche endlich ihrer Verantwortung stellen.

Eine Schande für die Kirche ist und bleibt auch das Kondomverbot. Aus dem Versuch, eine HIV-Infektion zu verhindern, macht die Kirche einen sündigen Akt. Speziell in Afrika trifft das wiederum am härtesten die Frauen, die ihren Männern zu Willen sein müssen. Möge Gott verhüten, dass die Kirche an dieser menschen- und frauenfeindlichen Haltung weiter festhält.

Majella Lenzen, geb. 1938, ist Autorin des Bestsellers "Das möge Gott verhüten". Sie gehörte mehr als 40 Jahre einem Missionsorden an, den sie 1995 verließ. Sie kam mit der Kirche wegen der Verteilung von Kondomen in Konflikt.

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Würden die katholischen Frauen Präsenz und ehrenamtliche Tätigkeit einstellen, die katholische Kirche läge darnieder. Nach langen Kämpfen und Krämpfen hat sie Demokratie und Menschenrechte anerkannt. Zur Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche hat das nicht geführt. Unsere Kirche ist in Klerus und Leitung nach wie vor eine geschlossene Männergesellschaft. Das Schurigeln von Laien ist zurzeit eingestellt, weil der bekannt gewordene sexuelle Missbrauch durch katholische Geistliche das Vertrauen in unsere Kirche grundlegend erschüttert hat.

Unsere Leitung ist nicht willens, die katholische Kirche angesichts der Herausforderungen unserer Zeit mit den notwendigen Reformen zukunftsfähig zu machen. Doch die Gestalt der Kirche steckt schon mitten in einer Metamorphose. Selbst wenn sie an den Versuchen, dies zu stoppen, zerbrechen sollte: Das Christentum wird nicht verdunsten. Wir sind unterwegs nach Emmaus (Lk 24,13-32) - und wir gehen nicht allein!

Christa Nickels (Grüne), geb.1952, saß viele Jahre für die Grünen im Bundestag und war Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium.

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http://www.fr-online.de/top_news/2855763_Reformen-jetzt-Schluss-mit-der-Maennerkirche.html

Zuletzt geändert am 18­.07.2010