| |
Veröffentlicht am 21­.07.2010

21.7.2010 - Welt online

Katholischer Pfarrer mit Frau und Kindern

Es gibt einige Hundert verheiratete Geistliche in der römischen Kirche - Sie waren früher Protestanten und finden das Zölibat häufig sogar richtig

von Gernot Facius

Bonn - Es war eine Sensation: Vor genau 60 Jahren, 1950, erlaubte Papst Pius XII. dem Mainzer evangelischen Pfarrer Rudolf Goethe, katholischer Priester zu werden. Er befreite den verheirateten Mann von der für Kleriker des römisch-katholischen Ritus geltenden Zölibatspflicht. Pfarrer Goethe konnte, was bis dahin nicht selbstverständlich war, Ehemann bleiben.

Der legendäre Kölner Kardinal Josef Frings, später auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) einer der Wortführer des Reformerflügels, hielt die Genehmigung solcher Priesterehen für eine der wichtigsten Entscheidungen des Pacelli-Papstes. Und der damalige Mainzer Bischof Albert Stohr sah darin einen Beweis, dass die Kirche stets nachgeben könne, wenn es nicht um "stahlharte Wahrheit oder ein ehernes Gottesgebot" gehe. Und ein göttliches Gebot ist die Verpflichtung der Priester zu einem ehelosen Leben eben nicht, sie ist ein Kirchengesetz, das jederzeit geändert werden kann.

Inzwischen führen viele zum Katholizismus konvertierte evangelische Pfarrer mit dem Segen des Papstes ein Priesterleben mit Frau und Kind. Allein in Bayern - genaue Zahlen halten die Bistumsbehörden zurück - sind nach verlässlichen Informationen in den zurückliegenden 30 Jahren etwa 30 ehemalige protestantische Geistliche zum Priester geweiht worden. Weltweit sollen es mindestens 300 sein.

Erst in der vergangenen Woche spendete der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller dem 62-jährigen Peter Kemmether die Priesterweihe. Kemmether ist verheiratet und Vater von vier erwachsenen Kindern. Der Mann hatte sich noch einmal auf die Seminarbank setzen müssen. "Er hat verschiedene Kurse des katholisch-theologischen Studiums nachgeholt, etwa über Liturgie, Dogmatik und Kirchenrecht", berichtete ein Bistumssprecher. Und die Familie von Peter Kemmether wurde eingehend befragt. "Die Prüfung erfolgt in solchen Fällen sehr ernsthaft."

Wo der neue Priester eingesetzt wird, steht noch nicht fest. Denn das ist das Problem bei solchen Übertritten: In der Regel erhalten die ehemaligen evangelischen Geistlichen keine Pfarrstelle zugewiesen, sie werden meist in der sogenannten Kategorialseelsorge beschäftigt, also zum Beispiel in Krankenhäusern oder Altenheimen.

Zum Beispiel Hans-Tilman Golde (47). Er war mehrere Jahre Pfarrer in der evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsen. Golde ist verheiratet und hat drei Kinder. Aus, wie er sagte, theologischen Gründen wurde er katholisch. Er bejaht voll und ganz das katholische Amtsverständnis. 2007 wurde Golde vom Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke zum Priester geweiht. Golde amtiert heute als Bundeswehr-Standortpfarrer in Ingolstadt.

Zum Beispiel Peter Moskopf. Ursprünglich Krankenpfleger in Hamburg, studierte der Mann aus Norderstedt evangelische Theologie und wurde Pastor in einer Gemeinde im Kreis Herzogtum Lauenburg. Schon im Studium hatte er sich intensiv mit dem Katholizismus beschäftigt, seine Diplomarbeit schrieb er über Thomas von Aquin. "Im Laufe der Zeit bin ich dann der katholischen Kirche nähergekommen und habe ihre schönen Seiten immer besser gelernt", erzählte er nach seiner Konversion. Die schönen Seiten sind für Moskopf vor allem die Liturgie, das Rosenkranzgebet und die Wallfahrten. Und Maria spielt für ihn eine große Rolle. Also begann er sein Leben "nach meinem Denken und Glauben auszurichten". Vor zehn Jahren trat er mit Frau und drei Kindern offiziell zum Katholizismus über. "Meine Familie steht voll hinter mir." 2004 empfing er im Hamburger Mariendom die Priesterweihe, in Lübeck bekam er eine Pfarrstelle. Stört er sich an der Zölibatspflicht, die für andere gilt? Nein, sagt Moskopf. Er nennt das Zölibat sogar eine kluge Einrichtung: "Eigentlich ist ein Pfarrer für seine Familie eine Zumutung, und ich kann meiner Frau nur danken, dass sie das alles so geduldig und liebevoll durchträgt." Moskopf hat seinen Weg nicht bereut. Er gibt sich überzeugt, dass die katholische Kirche mehr Freiheit bietet als die evangelische. Die theologische Bandbreite und Vielfalt sei "einfach größer". Und er nennt es einen Glücksfall, dass seine frühere Kirche den Wechsel nicht als Niederlage und die katholische Seite ihn nicht als Triumph empfunden habe.

Zum Beispiel Stefan Thiel (41): Sechs Jahre lang war er evangelischer Pfarrer im Erzgebirge. Schon im Studium waren seine "katholisierenden Tendenzen" bekannt. Kaum ordiniert, trat er dem "Bund für evangelisch-katholische Wiedervereinigung" bei. Er äußerte sich kritisch über "manche Missstände" in den Kirchen der Reformation, vor allem beim Umgang mit dem Abendmahl. 2006 weihte ihn Bischof Joachim Reinelt (Dresden) zum Priester. Thiel bekam eine Kaplanstelle in Borna. Auch er will kein Präzedenzfall für die Abschaffung des Zölibats sein, wie sie gerade vor allem von Vertretern der katholischen Laien gefordert wird.

Dennoch ist die Debatte über das Zölibat kaum zu stoppen. Bezeichnend für die Stimmung war die Wortmeldung des Bamberger Erzbischofs Ludwig Schick. Er empfahl, über das "Pflichtzölibat" nachzudenken, er sollte nur noch für höhere Geistliche gelten. Der Kirchenrechtler löste Irritationen unter seinen Amtsbrüdern aus, ausgerechnet beim Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller, der den verheirateten ehemaligen protestantischen Pfarrer Kemmether zum Priester weihte.

http://www.welt.de/die-welt/politik/article8556101/Katholischer-Pfarrer-mit-Frau-und-Kindern.html

Zuletzt geändert am 22­.07.2010