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Veröffentlicht am 25­.03.2011

25.3.2011 - KNA

Auf einen Schlag 3.000 Priester mehr?

Theologe Pesch zur Diskussion um innerkirchliche Reformen

Von Peter Fischer (KNA)

München (KNA) Dialog aus christlichem Ursprung hat sich die Eugen-Biser-Stiftung auf die Fahnen geschrieben. Ihr Namensgeber, der inzwischen 93-jährige Religionsphilosoph, ist davon überzeugt, dass nur durch eine Kultur der Verständigung Konfrontationen überwunden werden können. Mitte März hatte die Stiftung zum Auftakt einer neuen Veranstaltungsreihe unter dem Motto «Kirche - Idee und Wirklichkeit» nach München geladen. Als Referent kam der katholische Theologe Otto Hermann Pesch, bis zu seiner Emeritierung Professor für Systematische Theologie am Evangelischen Fachbereich der Fakultät für Geisteswissenschaften der Universität Hamburg.

Der 79-Jährige nahm kein Blatt vor den Mund. Kirche könne zwar nicht auf Bürokratie und Strukturen verzichten, doch müsse zwischen der Institution und ihren verwaltungstechnischen und politischen Instrumenten unterschieden werden. Niemals dürfe kirchliche Bürokratie in geistliche Herrschaft umschlagen. Menschen und auch Strukturen müssten vor dieser Gefahr geschützt werden.

Als «klaren Fall geistlicher Herrschaft» führte Pesch die Vorgehensweise der römischen Glaubenskongregation gegen Theologen an. Diese überwache weltweit und gegebenenfalls durch geheime Beauftragte, was in der wissenschaftlichen Theologie an Universitäten und kirchlichen Hochschulen gelehrt werde. Natürlich sei es legitim, der Frage nachzugehen, ob ein Theologe die Wirklichkeit Gottes leugne. Doch überprüft würden jene theologischen Argumente, die gerade einmal nicht der in Rom erwünschten Linie entsprächen.

Eine öffentliche Beanstandung durch die Glaubenskongregation sei gleichbedeutend mit einer Verurteilung, betonte der Theologe. Das anschließende «Colloquium» diene nur dazu, das bereits gefällte Urteil zu bestätigen. Als Konsequenz drohe die Absetzung vom Lehramt, ein Publikationsverbot, im günstigsten Fall werde dem Betroffenen ein zeitlich begrenztes «Bußschweigen» auferlegt.

Verweigere die Kongregation einem jungen Theologen beim ersten Ruf auf einen Lehrstuhl die Unbedenklichkeitsbestätigung (Nihil obstat), dann stehe dieser vor den Scherben einer Lebensinvestition für Theologie und Kirche. Pesch forderte ein «transparentes Verfahren nach heutigen rechtsstaatlichen Selbstverständlichkeiten». Nur dann könne jeder Missbrauch zur persönlichen Intrige ausgeschlossen werden.

Die in vielen Bistümern angelaufenen Strukturreformen sieht Pesch skeptisch. Vor allem jene finden sein Missfallen, bei denen am Ende ein Priester für mehrere Gemeinden mit 30.000 bis 40.000 Katholiken zuständig ist. Viel wichtiger wäre es, die kleine Gemeinschaft der Gemeinden zu stärken, findet er. Nichts spräche theologisch dagegen, Gemeinden angesichts des herrschenden Priestermangels auch von entsprechend ausgebildeten Pastoralassistentinnen oder gar Ehrenamtlichen leiten zu lassen.

Zum Problem des Priestermangels präsentierte Pesch seine eigene Hochrechnung: Seriösen Untersuchungen zufolge seien etwa die Hälfte aller verheirateten Pastoralassistenten verhinderte Priester. Nehme man diejenigen dazu, die aus Gründen einer Heirat ihr Amt niedergelegt hätten, «dann könnten wir auf einen Schlag circa 3.000 Priester mehr in Deutschland haben».

Nachdrücklich sprach sich der Wissenschaftler für mehr Flexibilität bei der Gestaltung der Gottesdienste aus. Es sei alarmierend, wenn junge Christen klagten, sie könnten damit nichts mehr anfangen.

Musik und Lieder dürften nicht von ästhetischen Urteilen abhängig gemacht werden. Die Zuständigkeit dafür sollte bei den Bischofskonferenzen liegen und nicht in Rom.

Auch einen anderen Umgang der Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen forderte der Theologe. Wörtlich sagte er: «Es ist ja aberwitzig: Wenn Geschiedene einfach mit einem neuen Partner ohne neuen Trauschein zusammenleben, ist das 'nur' eine Sache für den Beichtstuhl. Gehen sie aber verbindlich eine neue Ehe ein - und erziehen mustergültig ihre Kinder im Glauben! -, dann gelten sie als 'öffentliche Sünder' und sind von den Sakramenten ausgeschlossen.»

mit/baj/cri/

Zuletzt geändert am 28­.03.2011