12.1.2012 - KAP
Hünermann: Zweites Vatikanum ist Maßstab für Zukunft der Kirche
Wien (KAP) Die Bedeutung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) für die zukünftige Entwicklung der Kirche hat der Tübinger Theologe Peter Hünermann unterstrichen. Das Konzil habe "die Weichen gestellt für die Orientierung der Kirche in diesem Jahrtausend" - und wenn heute neu um die Frage der Öffnung der Kirche zur Welt und ein Einlassen auf die Moderne gerungen werde, so müsse man "diesen Streit ausdrücklich begrüßen", so Hünermann im Gespräch mit "Kathpress".
Notwendig wäre heute ein "neuer Rezeptionsprozess" - von der pfarrlichen Basis bis hinauf in die römische Kurie -, d.h. eine Relecture der Konzilstexte und eine neue Besinnung auf Elemente wie Synodalität und Pluralität in der Kirche. Hünermann eröffnete am Mittwochabend in Wien eine internationale Tagung zum 50-Jahr-Jubiläum des Konzils mit dem Titel "Erinnerung an die Zukunft". Neben dem bekannten Konzils-Experten diskutieren noch bis 13. Jänner u.a. Jan-Heiner Tück (Wien), Albert Gerhards (Bonn), Christoph Theobald (Paris), Thomas Söding (Bochum), Ottmar Fuchs (Tübingen) und Eberhard Schockenhoff (Freiburg) über die einzelnen Konzilsdokumente und ihre heutige Relevanz.
Pluralismus als "gemeinsame Wahrheitssuche".
"Das Reformpotenzial des Konzils ist noch längst nicht ausgeschöpft", so Hünermann. Eine Umsetzung der "eigentlich ungeheuerlichen Kehrtwende von 1.500 Jahren Staatskirchentum hin zu einer Kirche, die sich auf die Moderne einlässt" brauche mitunter mehrere Generationen. Daher sei ein Streit über die Deutung der Konzilsdokumente auch unerlässlich. Nicht in Frage komme für ihn allerdings eine "Rückkehr vor das Konzil", wie sie etwa der Piusbruderschaft vorschwebe: "Das kann nicht der Weg der Kirche in die Zukunft sein."
In dem Rezeptionsprozess des Konzils müsse daher deutlich herausgearbeitet werden, dass etwa die Anerkennung und Wertschätzung religiöser Pluralität, wie sie das Konzil vorgemacht habe, nicht "Relativismus" bedeute, sondern auf einer "gemeinsamen Wahrheitssuche" unter "Anerkennung bleibender Differenzen" beruhe. Wo unterschiedliche religiöse Traditionen und selbst innerkirchlich unterschiedliche theologische Strömungen ernsthaft miteinander ins Gespräch kommen, bestehe immer die Möglichkeit, dass am Ende etwas Neues entstehe - so sei es auch beim Konzil selbst gewesen, in dem zum Teil sehr unterschiedliche Schulen und Denkweisen aufeinander geprallt seien.
Synodalität stärken.
Konkret könne die Kirche heute vom Konzil etwa lernen, das Instrument der Synodalität neu einzusetzen, um so den Papst "aus seiner alleinverantwortlichen Position zu befreien". Die Kirchengeschichte kenne zum Beispiel die Tradition des Konsistoriums, d.h. eines den Papst einschließenden, beratenden und Beschluss-Fassenden Kreises von Kardinälen, ähnlich dem Heiligen Synod in der Ostkirche.
Auf der Ebene der Ortskirchen müsste ebenfalls die Tradition synodaler Versammlungen neu aufgegriffen werden, um so das Bewusstsein für eigene Entscheidungsspielräume zu stärken. Auch Dialogprozesse, wie sie u.a. in der Kirche in Österreich stattgefunden haben und in Deutschland derzeit laufen, seien notwendige Schritte. Das alles würde die Position des Papstes laut Hünermann "gerade nicht schwächen, sondern im Gegenteil stärken", da es zugleich "Kreativität freisetzt".
Für ein neues Konzil sieht Hünermann die Zeit noch nicht reif. Zu viele Vorarbeiten etwa im Bereich der Ökumene wären da noch zu leisten, "da die Menschen gerade in diesem Bereich Fortschritte erwarten". Dennoch gebe es einen gewissen Reformdruck, der allerdings vor allem in der lateinischen Kirche anzutreffen sei. Dem müsse man nicht gleich mit einem neuen Konzil, sondern mit etwa mit einer "Generalsynode der lateinischen Kirche" entgegnen - "denn unsere Probleme sind nicht unbedingt auch die Probleme etwa der unierten Ostkirchen".
Zuletzt geändert am 17.01.2012