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Veröffentlicht am 02­.03.2012

2.3.2012 - Kipa

Helmut Krätzl warnt vor einem neuen Konzil

Von Adrian Müller / Kipa

Luzern, 2.3.12 (Kipa) Viele Interessierte folgten der Einladung von Monika Jakobs, Dekanin der Theologischen Fakultät der Universität Luzern, nachzudenken über 50 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil sowie 40 Jahre Synode 72. Der emeritierte Weihbischof Helmut Krätzl aus Wien war Augenzeuge des Konzils. Wolfgang Müller und Edmund Arens befragten den 80jährigen, der auch humorvolle Antworten nicht scheute.

"Es ist eine törichte Ansicht zu meinen, dass die Kirchen wegen dem Zweiten Vatikanischen Konzil in die Krise gekommen ist", analysierte Helmut Krätzl, emeritierter Weihbischof aus Wien, heutige Klagen. Nicht das Konzil sei schuld, sondern die Entwicklung von Gesellschaft und Welt haben der katholischen Kirche ihre zentrale gesellschaftliche Stellung entzogen und ganz neue Fragen gestellt.

Das Konzil (1962-1965) fand noch vor den grossen Umwälzungen von 1968 statt. Helmut Krätzl erlebte jedoch am Konzil selber schon etwas von den Umbrüchen dieser Zeit. Zunächst gab es Stenographen, die die Ansprachen mit- und später abschrieben. Für diese Arbeit wurde er damals nach Rom gerufen. Doch hat man bald gemerkt, dass es Tonbänder gibt. Helmut Krätzl musste wieder nach Hause zurück und wenige seiner Kollegen durften als Platzanweiser am Konzil bleiben.

Das Konzil ist noch längst nicht tot

Wolfgang Müller, Professor der Dogmatik und Leiter des ökumenischen Institutes an der Universität Luzern, wollte vom Konzilszeugen Helmut Krätzl wissen, was er 50 Jahre danach seinen Grossneffen und Grossnichten vom Zweiten Vatikanischen Konzil erzählen würde? Der Angesprochene gestand, dass sie ihn noch nie danach gefragt hätten. Sie wüssten, dass er dabei war und seien sicher ein bisschen stolz darauf. Zur Kirche hätten diese Jugendlichen gewiss eine Beziehung, doch in einer freien und floatenden Art und Weise: "Ohne dass sie es vielleicht wissen, haben sie von der Öffnung des Konzils mehr in ihr Leben aufgenommen, als sie es eigentlich wahrhaben." Diese Erfahrung gibt dem Weihbischof die Hoffnung, dass heute eine Jugend heranwachse, die den Geist des Konzils in sich aufgenommen habe, ohne es zu wissen. Auch diese Erfahrung sei eine Frucht des Konzils, die zeige, dass das Konzil noch längst nicht tot sei, bekannte er schmunzelnd.

Vor einigen Wochen habe ihm eine dominikanische Schwester, eine Theologin, gesagt: "Hören sie doch endlich auf mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Unsere Theologie heute ist eine ganz Andere!" Ihr habe er geantwortet, dass es ohne dieses Konzil gerade ihre Theologie nicht gäbe. Da könne man mit den Worten des Dogmatikers Jan-Heiner Tück sagen: "Das Konzil ist fast in Vergessenheit geraten. Wir haben den Piusbrüdern zu verdanken, dass wieder über das Konzil geredet wird – und den Reformbewegungen, die sich damit auseinandersetzen."

"Die grossen, zensurierten Theologen werden plötzlich gehört"

Am Zweiten Vatikanischen Konzil geschah es, dass die Bischöfe plötzlich die jungen Theologen angehört hätten, auch wenn diese vorher zensuriert geworden waren, betonte Helmut Krätzl. Die ersten Vorlagen, die zumeist von Kurialen geschrieben worden waren, wurden abgewiesen. Vor allem französische Theologen hätten nun gute Arbeit geleistet. Kardinal König habe sich in dieser Situation Karl Rahner geholt, der eben noch einen Prozess bei der Glaubenskongregation hatte.

Die Bischöfe hatten damals den Mut, nicht alles abzuwinken, was ihnen von der Kurie vorgesetzt wurde. Daran könnten sich die Bischöfe auch heute wieder ein Beispiel nehmen. Zusätzlich hätten sie damals wahrgenommen, dass sie als Bischöfe nicht nur für ihre Ortskirche zuständig seien, sondern als Glieder des Bischofskollegiums, das zusammen mit dem Papst die Kirche regiert, eine Weltverantwortung hätten. Darum müssten auch die Bischöfe heute die falsche Kollegialität zu Rom aufgeben und nicht nur sagen, was Rom da oder dort gesagt hat, sondern auch selber theologisch denken und die Erkenntnisse in Rom zur Sprache bringen.

Konzil bricht kirchlichen Eurozentrismus auf

Edmund Arens, Professor der Fundamentaltheologie, beobachtet in der neueren Forschung zum Konzil, wie auch in den Büchern von Helmut Krätzl, dass die weltkirchliche Dimension des Konzils betont werde. Der Professor wollte vom Weihbischof wissen, wie er diese neue Situation erfahren habe. "Man sah diese neue Situation am Konzil an den Teilnehmenden", antwortete Helmut Krätzl. Man habe bei den Konzilsvätern gespürt, dass sie den Eurozentrismus aufbrechen wollten. Diese Veränderung habe sich in der Folge auch in der Bekehrung der brasilianischen Bischöfe gezeigt, die sich nun von den reichen zu den armen Menschen geschlagen hätten.

Helmut Krätzl beobachtet jedoch den Schiffbruch der Globalisierung in der Kirche im Umstand, dass die Kompetenzen nach dem Konzil nicht dezentralisiert worden seien. Man hätte in den jeweiligen Kulturkreisen Patriarchate gründen müssen, die in Mitverantwortung von Rom, aber auch selbstständig Entscheidungen für ihre Kultur getroffen hätten. Der Weihbischof betonte dabei: "Eine Inkulturation, die das Konzil ausgerufen hat, ist nur möglich, wenn man nahe der Kultur ist!" Ein Mangel dieser Inkulturation zeige sich heute besonders in der Liturgie, die in ihrer Erneuerung noch lange nicht abgeschlossen sei, stellt er fest.

Heute fehlt der Mut zum Weltoptimismus

"Um Gottes Willen kein neues Konzil", zitiert Wolfgang Müller aus einem Buch des 80-Jährigen. Trotzdem fragt sich der Dogmatiker, ob ein neues Konzil stattfinden müsste. Vielleicht nicht in Rom, aber in Lateinamerika? "Ja", antwortet Helmut Krätzl lachend, "nur käme es darauf an, wer an so einem Konzil den Ton angeben würde". Der Ort alleine mache den Inhalt eines Konzils nicht aus. "Es stellt sich die Frage, wer nun den Ton angäbe und ich bestehe nun darauf, Gott bewahre uns bitte vor einem Dritten Vatikanum!" Der Streit um die Hermeneutik des Zweiten Vatikanums zeige, dass heute eine Korrektur des Zweiten Vatikanischen Konzils entstehe. "Davon bin ich ganz überzeugt!", unterstrich Helmut Krätzl.

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Zuletzt geändert am 02­.03.2012