11.4.2012
Ausgezeichnete Aufklärung (P. Klaus Mertes SJ)
Über 5.000 Menschen hatten sich auf spd.de an der Online-Abstimmung zum Gustav-Heinemann-Bürgerpreis beteiligt. Nominiert waren neben Mertes auch die Datenschutzexpertin und Sprecherin des Chaos Computer Clubs, Constanze Kurz sowie die Frauenrechtlerin Emel Zeynelabidin. Seit 35 Jahren verleiht die SPD jährlich den mit 10.000 Euro dotierten Preis an Persönlichkeiten oder Initiativen, die sich im Sinne des ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann für Bürgermut und Zivilcourage stark machen.
Überzeugt hatte der Jesuitenpater Mertes mit seinem Einsatz für die Aufklärung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche. 2010 entfachte er eine breite Debatte in Gesellschaft, Politik und der katholischen Kirche. In einem Brief an die ehemaligen Schüler des Canisius-Kollegs ermutigte er die Betroffenen, Vertrauen zu wagen und über Missbrauchsfälle zu sprechen. Heute ist der Opferschutz sein wichtigstes Anliegen.
Mit seinem mutigen Schritt stieß der Pater eine breite Debatte in Gesellschaft, Politik und der katholischen Kirche an über die Vertuschung von sexuellen Straftaten. Die öffentliche Debatte ermutigte viele Missbrauchsopfer, über ihre Leidensgeschichte zu sprechen und Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Stärkung des Opferschutzes ist nun Mertes wichtigstes Anliegen.
Keine Angst, als „Nestbeschmutzer“ zu gelten
Für die Mehrheit ist Klaus Mertes der mutige Aufklärer, der das Unvorstellbare aussprach. Doch musste sich Mertens auch den Vorwürfen aussetzen, „Nestbeschmutzer“ und „Verräter an der Sache der Kirche“ zu sein.
Am Canisius-Kolleg in Berlin haben vor allem zwei Mitglieder des Ordens in den 70er- und 80er-Jahren sexuelle Übergriffe an mehr als hundert Jungen begangen. Der Pater ging auch hart mit seiner Glaubensgemeinschaft ins Gericht; er forderte mehr als eine Entschuldigung von der Kirche. Er verlangte eine Aufklärung und Aufarbeitung des Skandals und plädierte ebenfalls für eine materielle Entschädigung der missbrauchten Schüler. Zugleich definierte er den Begriff des Missbrauchs neu: nicht allein die Straftat, auch das Weghören sei darunter zu fassen.
Nach und nach wurden in Folge seiner Initiative auch andere Fälle bekannt – etwa im bayerischen Benediktinerkloster Ettal oder in der Odenwaldschule im hessischen Heppenheim, aber auch in anderen Institutionen und im Privaten. Das Thema habe längst die Mitte der Gesellschaft erreicht, sagte die damalige Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Christine Bergmann.
Infolge seiner Initiative wurden in der Kirche und in vielen anderen Lebensbereichen Maßnahmen ergriffen, um sexuellen Missbrauch aufzudecken und zu unterbinden.
Zweifel daran, dass er das Richtige tut, hatte Mertes nie. Dem „Tagesspiegel“ sagte er in einem Gespräch: "Ich glaube nicht, dass ich gehorcht hätte, wenn mir jemand geraten hätte, das lieber nicht zu tun."
Öffentlich verliehen wird der Gustav-Heinemann-Bürgerpreis am 26. April im Willy-Brandt-Haus.
http://www.spd.de/aktuelles/News/70960/20120411_ghb_mertes.html
Zuletzt geändert am 12.04.2012