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Veröffentlicht am 10­.09.2011

10.9.2011 - Tiroler Tageszeitung

„Es gibt keine Sanktionen“

Der Innsbrucker Diözesanbischof Manfred Scheuer tut sich schwer mit der Vorgangsweise der Pfarrerinitiative, doch er will einen Dialog über ihre Inhalte führen.

Von Peter Nindler

Innsbruck – „Sie haben viele Fragen . . .“ Bischof Manfred Scheuer wusste am Freitag, dass sich die Öffentlichkeit und insbesondere viele Katholiken Antworten erwarten. Antworten auf die österreichweite Initiative der Pfarrer, die auf Reformen in der katholischen Kirche drängen. In einer gestern veröffentlichten repräsentativen Umfrage des Linzer Meinungsforschungsinstituts „Spectra“ zu den aktuellen kirchenpolitischen Diskussionen sprechen sich schließlich 60 Prozent der Österreicher dafür aus, dass Priester heiraten dürfen.

Bischof Scheuer will keine einfachen Antworten auf schwierige und komplexe Fragen geben. Er weiß, dass die Meinungen und Positionen oft weit auseinanderklaffen, und in den vergangenen Wochen von „Revolution, Reformen, Kirchenspaltung und der Liquidierung des Christentums“ die Rede war. Für ihn steht jedoch eines fest: Es gebe Konsens, dass es Reformen in der Kirche benötige, aber massive Spannungen und Dissens über die Diagnose und die Therapie.

Scheuer bemüht sich um eine Differenzierung, hält aber mit Kritik an der Pfarrerinitiative nicht zurück. „Das Paket ihrer Forderungen muss aufgeschnürt werden, von aggressiver Vereinfachung halte ich nichts.“ Der Durchsetzung von Eigeninteressen kann er nichts abgewinnen. Es ist eine Gratwanderung zwischen Verständnis für die berechtigten Anliegen der Priester („Ich sehe die Mitglieder der Pfarrerinitiative nicht als Gegner, sondern Mitarbeiter“), aber auch eine Absage an eine Instrumentalisierung und nicht umsetzbare Forderungen wie die Zulassung von Frauen zum Priesteramt oder die Aufhebung des Zölibats für Priester. Letzteres könne nicht auf diözesaner Ebene behandelt werden.

Was die wiederverheirateten Geschiedenen in den Pfarren betrifft, die Leitung von kleinen Pfarreien von Männern und Frauen in Kooperation mit Priestern oder das Predigen von Laien in der Eucharistiefeier, so möchte Scheuer das Forderungspaket der Pfarrerinitiative aufschnüren und den Dialog auf diözesaner Ebene vorantreiben.

In seiner Funktion als Bischof der Diözese Innsbruck bezeichnet sich Scheuer als Hörender mit einem mitwirkenden Führungsstil. Die wiederverheirateten Geschiedenen sollen unter bestimmten Voraussetzungen wieder in die Kommunionsgemeinschaft aufgenommen werden. Dass er für die Weihe von bewährten verheirateten Männern eintritt („viri probati“), daraus macht Scheuer kein Geheimnis. Und er kann sich vorstellen, dass künftig zölibatär lebende Priester, Geistliche, die heiraten, und viri probati als Pfarrer in den Gemeinden wirken. Wenngleich das für ihn keine vorrangige Frage ist und er sich vielmehr eine größere Wertschätzung für die Ehelosigkeit von Priestern erwartet. Das Zölibat ist für Scheuer nicht die Hauptursache für den Priestermangel, den ortet er eher im gesellschaftlichen Wandel.

Klar und deutlich bringt der Oberhirte zum Ausdruck, dass es für den Aufruf zum Ungehorsam der Pfarrerinitiative, die auch von rund zwölf Tiroler Priestern unterstützt wird, keine Sanktionen gibt. „Ich unterstelle ihnen eine gute Absicht.“ Den Priestern attestiert er eine engagierte Seelsorge und Leidenschaft für ihre Arbeit. Er, so Scheuer, werde auch keinen Pfarrer in seiner Diözese sanktionieren, der wiederverheirateten Geschiedenen die Kommunion gibt.

Zweifelsohne müssten sich die österreichischen Bischöfe mit der Initiative auseinandersetzen und einen Dialog führen. Dass die intensive Auseinandersetzung nicht schon stattgefunden habe, führt Scheuer auf die Urlaubszeit zurück. Die Initiative dürfe die Kirche aber mit ihren Forderungen nicht vor sich hertreiben.

Bischof Manfred Scheuer befasste sich Freitag nicht nur mit seiner Kirche, sondern auch mit dem Zustand der Politik und der Wirtschaft, mit Lobbyismus und den jüngsten Korruptionsvorwürfen in der heimischen Innenpolitik. Den Politikern und Wirtschaftsvertretern empfahl er ein „aufgeklärtes Verhältnis zur Macht“. Es benötige einen Ethikkodex, aber nicht nur für Politik und Wirtschaft, sondern ganz allgemein.

http://www.tt.com/Tirol/3352746-2/es-gibt-keine-sanktionen.csp

Zuletzt geändert am 20­.06.2012