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Veröffentlicht am 29­.12.2012

29.12.2012 - Süddeutsche Zeitung

An der Kirchen-Basis rumort es

In Ottobrunn solidarisieren sich viele Menschen mit dem „Münchner Kreis“, weil sie Veränderungen für zwingend notwendig halten. Priestermangel, Frauenordination und Strukturreform sind einige der Themen, die den Gläubigen auf den Nägeln brennen

VON DANIELA BODE

Ottobrunn – Eigentlich brennen sie alle für ihre Kirche. In der katholischen Pfarrei St. Magdalena in Ottobrunn sitzen sechs Frauen und Männer im Alter von 47 bis 76 Jahren zusammen, die sich seit Jahren mit Herzblut in vielfältiger Weise in ihrer Pfarrgemeinde engagieren, und erzählen mit Freude von ihren Aufgaben. Es dauert nicht lange, bis auch viel Frust herauszuhören ist. „Solange der Reformstau besteht, ist es für uns schwierig, in der Kirche zu sein und zu bleiben“, bringt es Wolfgang Hartmann auf den Punkt. Er ist seit 30 Jahren Mitglied der Pfarrgemeinde St. Magdalena, sitzt unter anderem im Pfarrgemeinderat und ist Vorsitzender des Pfarrverbandsrats „Vier Brunnen“, zu dem neben St. Magdalena auch St. Stephan (Putzbrunn) mit der Filialkirche St. Ulrich (Grasbrunn) und St. Stephanus (Hohenbrunn) gehören. „Es ist anstrengend in der katholischen Kirche zu sein, aber auch schön“, sagt auch Brigitte Baumann, die wie ihr Mann Christian seit mehr als 30 Jahren in St. Magdalena ist. Sie saß zwei Perioden im Pfarrgemeinderat und führt jetzt unter anderem Taufelterngespräche. Alle sechs, die hier sitzen, haben sich mit dem kirchenkritischen „Münchner Kreis“ solidarisiert. Christoph Nobs, Pfarradministrator in St. Magdalena und Leiter des Pfarrverbands „Vier Brunnen“ ist einer der Initiatoren des Kreises und fungiert als Kontaktmann.

Jüngst hatten sich 24 Pfarrer und Diakone im Erzbistum München und Freising zum „Münchner Kreis“ zusammengeschlossen. Anfang Oktober, kurz vor dem 50. Jahrestag des Zweiten Vatikanischen Konzils, das für viele Katholiken ein Symbol für Aufbruch und Modernität ist, hatte der Kreis in einer Erklärung Kardinal Reinhard Marx und die Bistumsleitung aufgefordert, mehr Dialog mit den Gläubigen zu pflegen und an den 61 Empfehlungen des diözesanen Zukunftsforums weiterzuarbeiten. Darunter waren auch Forderungen nach einer stärkeren Rolle von Frauen und mehr Rechten für Laien. Die 24 Geistlichen schrieben, dass viele der Empfehlungen nicht nur durch die Antwort des Kardinals Bedeutung bekommen sollten. Mittlerweile ist die Zahl der Pfarrer und Diakone, die die Erklärung unterzeichneten, auf 51 gestiegen. Knapp 600 Personen haben sich inzwischen solidarisiert, darunter sind 114 Pfarrgemeinderäte und Kirchenverwaltungsmitglieder, zahlreiche aus Ottobrunn, und 390 Ehrenamtliche und Katholiken ohne ein Amt in der Kirche, ebenfalls viele aus Ottobrunn. Auch neun Gremien, wie der gesamte Pfarrgemeinderat und der Liturgieausschuss von St. Magdalena, haben sich solidarisiert.

Hört man den sechs Ehrenamtlichen in der Pfarrei länger zu, wird klar: Es gibt mehrere Gründe, warum gerade in Ottobrunn so eine Aufbruchstimmung herrscht und so viele Menschen dem „Münchner Kreis“ ihre Sympathie bekundeten. „Es liegt viel am Pfarrer. Er hat einen sehr kooperativen Stil, man kann sehr viel mitmachen“, sagt Hartmann. Nobs sei sehr gern unter Menschen und was er sage, lebe er auch. Für wie viel Teilnahme und Lebendigkeit Raum ist und wie engagiert die Menschen vor Ort sind, zeigt sich an vielen Stellen in St. Magdalena, wo Nobs seit zehn Jahren tätig ist. Es gibt allein 22 Gruppen, von den Themen Asylbewerber bis zur Straßenpastoral. Es existiert nicht nur ein Kirchenchor, sondern auch ein Jugendchor und ein Kinderchor. Auch die Gottesdienste sprechen für sich – in einem Familiengottesdienst vor dem ersten Advent lasen Kinder die Fürbitten, die Kirche war nahezu komplett gefüllt. Sicher auch deshalb, weil der Gottesdienst zeitgemäß gestaltet wird. So bemühe sich der Pfarrer stets um eine Sprache, die man heute spreche, beschreibt Brigitte Baumann.

Das große Engagement in Ottobrunn erklärt sich auch aus der Struktur der Gemeinde. Die Bevölkerung habe ein hohes Bildungsniveau und setze sich mit den Dingen kritisch auseinander, beschreibt Hartmann. Sie alle sechs sind dafür das beste Beispiel. Sie finden, es muss sich etwas tun, und sie leisten ihren Beitrag. Die Themen vom Zukunftsforum brennen ihnen unter den Nägeln: Priestermangel, Frauenordination, die Gedanken der katholischen Kirche zur Wiederheirat von Geschiedenen. Auch klagen sie über die Folgen der Strukturreformen. „Die Priester sind überfordert und der ganze Unterbau auch“, ärgert sich Gabi Haberzettl, Vorstandsmitglied des Pfarrverbands, seit zwölf Jahren im Pfarrgemeinderat in Grasbrunn, die Filialkirche von Putzbrunn, und Delegierte im Dekanatsrat. Einen Pfarrverband wie „Vier Brunnen“ mit 10 000 Gläubigen zu managen „ist abartig“, sagt sie. „Der Pfarrer müsste Zeit für Seelsorge haben und nicht als einer der wenigen Seelsorger noch Verwaltungsaufgaben machen müssen“, schließt sich Heidi Maurer an. Sie ist seit zehn Jahren in St. Magdalena aktiv, unter anderem zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit und seit zweieinhalb Jahren im Pfarrgemeinderat. „Da waren wir unter Kardinal Wetter schon weiter, da gab es Laientheologen, die die Priester entlasteten. Das ist wieder revidiert“, sagt Hartmann. Gleichzeitig fühlen sie sich allein gelassen. „Man soll den Pfarrverband mit kooperativer Pastoral führen, aber keiner kann einem sagen, wie das geht“, sagt Hartmann. Auch im Ehrenamt wird ihnen viel abverlangt. 50 bis 60 Termine im Jahr wären bei Hartmanns Ämtern empfohlen. Haberzettl beklagt, dass man zum Ehrenamt nun noch kostenlos arbeiten müsse. Sie spricht von stundenlangen Verwaltungsarbeiten und Homepagepflege in der Woche.

Der Wille zur Veränderung besteht in St. Magdalena schon länger. „Das hat sich nicht von heute auf morgen ergeben“, sagt Maurer. Bereits 2009 benannte der ehemalige Pfarrverband St. Magdalena Ottobrunn und St. Stephanus Hohenbrunn in seiner Rückmeldung an das Dekanat zu den Ideen des Zukunftsforums – das hatte schon seine Überlegungen begonnen – Herausforderungen. Etwa, dem Priestermangel durch die Abschaffung des Zölibats entgegenzuwirken und den Laien eine stärkere Mitverantwortung zu geben.

Trotz des Frusts geben die Gläubigen hier nicht auf. „Aktiv sind wir alle wie wild“, sagt Ursula Werner. Sie ist seit 2010 im Pfarrgemeinderat von St. Magdalena und engagiert sich im Ökumene- sowie im Liturgieausschuss der Pfarrgemeinde. Die Gemeinschaft halte sie zusammen, sagt Hartmann. Sie greifen bereits die Impulse des Münchner Kreises auf und setzen sie selbstverantwortlich um. So hat der Pfarrverbandsrat etwa beschlossen, dass der Seelsorger auch Wortgottesdienste mit Kommunionausteilung halten darf, wenn der Pfarrer keine Zeit hat. In St. Magdalena hat sich ein Kreis gegründet, der aufschlüsselt, inwieweit die Empfehlungen schon umgesetzt werden. Beim Thema, die Rolle der Frauen im Laienapostolat anzuerkennen und zu stärken, zum Beispiel, steht die Gemeinde schon gut da mit all ihren Ministrantinnen, Lektorinnen und Wortgottesfeier-Leiterinnen.

Allerorten Aufbruchstimmung. Auch beim „Münchner Kreis“ gibt es erste Erfolge. Die Kleriker sind vom Priesterrat, der Rat um den Kardinal, zu seiner nächsten Sitzung am 28. Januar eingeladen, sagt Nobs. Ebenfalls im Januar wollen verschiedene Pfarrerinitiativen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zu einem Vernetzungstreffen zusammenkommen. Anfang Februar soll ein Treffen für alle sein, die ihre Sympathie mit dem „Münchner Kreis“ bekundet haben. Es soll überlegt werden, wie die Impulse des Kreises in ihrem Bereich umgesetzt werden können. St. Magdalena ist ein gutes Beispiel. Es bleibt spannend, inwieweit Dialog und Reformbemühungen noch vorangetrieben werden.

„Die Priester sind überfordert und der ganze Unterbau auch“, ärgert sich Gabi Haberzettl

Laien sollte eine stärkere Mitverantwortung zugestanden werden, wünschen viele


Bildunterschrift: Auch in der Ottobrunner Pfarrgemeinde St. Magdalena finden sich Unterstützer des kirchenkritischen Münchner Kreises (von links): Wolfgang Hartmann, Ursula Werner,Brigitte Baumann, Pfarrer Christoph Nobs,Gabi Haberzettl, Heidi Maurer und Christian Baumann

Zuletzt geändert am 04­.01.2013