28.1.2013 Landshuter ...
Plädoyer für loyalen Ungehorsam
„Das Evangelium ist nicht zu diskutieren. Alles andere aber muss hinterfragt werden können.“ Mit dieser Überzeugung ermutigt Dr. Thomas von Mitschke-Collande die Katholiken zum loyalen Ungehorsam, zum konstruktiven Widerspruch. Auf Einladung der Katholischen Arbeitnehmerbewegung hat er am Freitag im Pfarrsaal von St. Peter und Paul über den Zustand der Kirche referiert und erläutert, warum er Katholiken in der Pflicht sieht.
Mitschke-Collande ist einer der 45 Einzelpersönlichkeiten im Zentralkomitee der deutschen Katholiken sowie Kuratoriumsmitglied der Eugen-Biser-Stiftung. Im aktiven Berufsleben war er Unternehmensberater bei McKinsey und auch für die Deutsche Bischofskonferenz und für verschiedene Bistümer tätig. Er kennt die Strukturen der katholischen Kirche. Mehr als 120 Besucher kamen, teilweise bis aus München, um einem Mann zuzuhören, dem die Kirche am Herzen liegt. Einem Gläubigen, der in seinem Buch „Schafft sich die Kirche ab?“ Ursachenforschung betreibt, analysiert und Wege aufzeigen will, wie die Kirche wieder die Menschen erreicht.
Sein Fazit: Die Kirche ist in keinem guten Zustand. Viel Vertrauen sei verloren, der Papst würde lange nicht mehr so stark als Vorbild wahrgenommen wie noch vor einigen Jahrzehnten. Sechs Krisen machte Mitschke-Collande dafür aus: Glaubens- und Vertrauenskrise, Autoritätskrise, Führungskrise, Struktur- und Vermittlungskrise. Zwei Wege würden sich abzeichnen: Der des geringsten Widerstands – ein Zurückziehen und damit ein Schwinden. Oder der eines offenen Umgehens und der Auseinandersetzung mit den gewonnenen Erkenntnissen. Dabei müsste die Kirche boomen. So viele Menschen suchten Spiritualität, Orientierung und Gemeinschaft. Mitschke-Collande ist aber kein Revolutionär. Er stellt fest, analysiert und zeigt Alternativen auf. Sein Ziel sei, der Kirche Hilfestellung zu geben, wieder den Menschen zu erreichen. Dafür stünden das größte soziale Netzwerk zur Verfügung und eine beachtliche Flächenpräsenz. Mit Papst und Bischöfen hätte die Kirche Gesichter. Um dieses Potenzial aber nutzen zu können, seien Vertrauen und Authentizität unabdingbar.
Dass diese beiden Attribute schwanden, dafür machte er unter anderem einfache handwerkliche Fehler der Kirchenführung aus und die Angst, neue Wege zu gehen. Auseinandersetzung sollte nicht als Angriff gewertet werden, sondern als Ringen um die Wahrheit. Anstrengung und Mut brauche es, als offene und missionarische Kirche Teil der Gesellschaft zu werden und sich mit gesellschaftlichen Fragen im Sinne des Evangeliums auseinanderzusetzen. Er habe die Vision einer Kirche, welche dieses Evangelium lebe, menschlicher und nicht klerikaler werde. Tradition verstehe er als Prozess einer dynamischen Weiterentwicklung. Ansätze gäbe es. Er verwies auf den Dialogprozess in Deutschland mit Mannheim 2011 und Hannover 2012, einer ergebnisorientierten und offenen Diskussion teilnehmender Bischöfe und der zustande gekommenen Selbstverpflichtung. Er erinnerte auch an das Zitat von Papst Johannes Paul II: „Der Weg der Kirche ist der Mensch“.
Nicht nur die Amtskirche bedürfe des Mutes. Die Katholiken müssten den aufrechten Gang lernen. Es müsse hinterfragt werden, Antworten müssten eingefordert werden. Der Dialog sei auf Augenhöhe zu führen. Wolle die Kirche als lebendiger Organismus bestehen, bedürfe es der öffentlichen Meinung und des Gespräches mit allen Mitgliedern. Die Seelsorger vor Ort leisteten hervorragende Arbeit. Es seien auch von Bischöfen und Kardinälen positive Reaktionen auf sein Buch gekommen. Ein anderer Teil ziehe sich aber zurück und meine, 2000 Jahre Kirchengeschichte könne auch diese Krisen überstehen.
Thomas von Mitschke-Collande fand große Zustimmung bei den Besuchern. So manche zeigten sich allerdings resigniert ob der von oben nach unten diktierten Struktur der Amtskirche und eine rechte Diskussion wollte sich nicht entwickeln. Vielleicht waren auch zu wenige Vertreter der Amtskirche anwesend, um einen Dialog aufbauen zu können.
-bau-
Zuletzt geändert am 05.02.2013