17.3.2014 . Kipa
«Einer, der uns in der Kirche wieder frei atmen lässt»
Von Benno Bühlmann / Kipa
Luzern, 17.3.14 (Kipa) Papst Franziskus habe als neuer «Bischof von Rom» einen eigentlichen Paradigmenwechsel ausgelöst und dazu beigetragen, dass man in der katholischen Kirche endlich wieder «frei atmen» könne. Das betonte am Sonntag, 16. März, Erwin Koller, der neue Präsident der Herbert-Haag-Preises «Für Freiheit in der Kirche». An der diesjährigen Preisverleihung wurden der deutsche Jesuit Klaus Mertes (59) und Albert Rouet (78), der frühere Erzbischof von Poitiers (Frankreich) gemeinsam für ihr mutiges und prophetisches Handeln geehrt.
Eine illustre Gästeschar von über 200 Personen war am Sonntag im Hotel Schweizerhof in Luzern zugegen, als die diesjährigen Preise der Herbert-Haag-Stiftung «Für Freiheit in der Kirche» verliehen wurden. Der Ehrenpräsident der Stiftung, Professor Hans Küng, der in zwei Tagen seinen 86. Geburtstag feiern kann, war dieses Jahr bei der Preisverleihung nicht zugegen. Als neuer Stiftungsratspräsident begrüsste Erwin Koller die Gäste und meinte: «Hans Küng arbeitet nach wie vor an Projekten zur Erneuerung der Kirche, und wir hoffen, dass seine beeinträchtigte Gesundheit ihm erlaubt, dran zu bleiben.»
Ein weiterer Preisträger
In seinen einleitenden Worten äusserte sich Erwin Koller zu diversen Themen der aktuellen Grosswetterlage in der katholischen Kirche, wo es durchaus auch Hoffnungszeichen wahrzunehmen seien. So gäbe da beispielsweise noch einen, der den Preis für Freiheit in der Kirche verdient habe. «Ich meine den, der uns seit einem Jahr und drei Tagen in der katholischen Kirche wieder frei atmen lässt: Franziskus.» Mit der Art, wie er freimütig auf Menschen zugehe, unerschrocken Probleme benenne, Autorität zurücknehme und franziskanische Einfachheit lebe, trage er zur Verwirklichung der Freiheit in der Kirche bei. Vor allem habe der neue Bischof von Rom in der katholischen Kirche einen Paradigmenwechsel ausgelöst, betonte Koller: «Er verlässt den barocken Palast, so wie auf seinem Kontinent schon viele Bischöfe aus herrschaftlichen Residenzen ausgezogen sind.» Das sei ein Vorgang, der nicht nur äusserlich zu verstehen sei, sondern einen Grundlegenden Wandel zum Ausdruck bringe.
Bischöfe müssen Verantwortung übernehmen
Papst Franziskus habe beim ominösen Umgang des Vatikans mit dem Geld bereits Pflöcke eingeschlagen, für die Kurienreform eine prominente Truppe an die Arbeit geschickt und klar gemacht, dass Rom nicht alles entscheiden soll, sondern die Bischöfe und Bischofskonferenzen vor Ort Verantwortung übernehmen müssten. «Das unengagierte Abwarten vieler Bischöfe ist oft unerträglich», meinte Koller mit einer Portion Ironie. Das gelte sowohl in Sachen Limburg wie auch im Bistum Chur – in beiden Fällen vermeiden es die entsprechenden Bischofskonferenzen, klar Stellung zu beziehen: Man blicke ständig nach Rom «in der Erwartung, dass Franziskus die heisse Kartoffel endlich aus dem Feuer hole.»
Albert Rouet: Charisma der Laien ernst genommen
Dass es unter den Bischöfen glücklicherweise auch Ausnahmen gibt – Persönlichkeiten, die mit zukunftsgerichtetem und prophetischem Handeln zu überzeugen vermögen – brachte an der diesjährigen Preisverleihung der Herbert-Haag-Stiftung die Ehrung für Albert Rouet zum Ausdruck. Der emeritierte Erzbischof von Poitiers wird von der Stiftung dafür ausgezeichnet, dass er «die Geistbegabung aller Christinnen und Christen ernst genommen» und als Bischof ihre Charismen geweckt hatte: «Er beschritt ungeachtet einer verbreiteten hierarchischen Mutlosigkeit radikal neue Wege, um Theologie und Seelsorge in einer zerrissenen Welt miteinander zu verbinden», hiess es in der Begründung der Jury.
In seiner Laudatio unterstrich Thomas Philipp, Leiter der katholischen Studentenseelsorge an der Universität Bern, dass das bischöfliche Handeln von Albert Rouet stets von einer «Sprache der Beziehung» begleitet wurde. Sein persönlicher Wegweiser sei nicht «ein kalter Moralismus gewesen, der sich von konkretem Leid nicht rühren lässt» und die zugehörige soziologische Gestalt nicht der in der katholischen Kirche immer noch ausgeprägt vorhandene Zentralismus gewesen. Vielmehr habe er sich für die kreative Beteiligung möglichst vieler eingesetzt und bei der Kirchenreform in seinem Bistum namentlich die Geistbegabung der Laien ernst genommen. In seinem Dankeswort betonte Albert Rouet in grosser Bescheidenheit, er habe als Erzbischof nur versucht, seine Pflicht zu tun und eigentlich nichts getan, was Glückwünsche und Ehrenbezeugungen verdiente. Der Bischof sei kein religiöser Patron: «Seine Aufgabe ist nicht zu dirigieren, sondern zu koordinieren, in Beziehung zu setzen, nicht zu befehlen», meinte Rouet.
Klaus Mertes: Konsequente Haltung des Zuhörens
Die zweite Auszeichnung der Herbert-Haag-Stiftung ging dieses Jahr an den Jesuiten Klaus Mertes, Direktor des Jesuitenkollegs St. Blasien. Der breiten Öffentlichkeit wurde er im Januar 2010 bekannt. «Damals schrieb er einen Brief, der zum entscheidenden Motor wurde, um den Missbrauchskandal in der katholischen Kirche aufzudecken», sagte Sabine Demel, Professorin für Kirchenrecht an der Universität Regensburg und Vizepräsidentin der Herbert-Haag-Stiftung, in ihrer Laudatio. Dieser Schritt sei nur durch eine konsequente «Haltung des Zuhörens» möglich geworden. «Klaus Mertes hatte den Mut und die Kraft, für die Opfer sexueller Gewalt offen zu sein und ihnen zuzuhören, auch wenn deren Geschichten das Selbstverständnis seines Gymnasiums, seines Ordens und seiner Kirche beschämten und tief erschütterten.»
In seinem Dankeswort zitierte Klaus Mertes einen Satz aus den Memoiren von Hans Küng, der auch für ihn selber wegleitend sei: «Erkämpfte Freiheit ist besser als geschenkte Freiheit.» Die erkämpfte Freiheit sei deshalb besser, weil sie einem nicht mehr genommen werden könne, betonte Mertens: «Eine gnädig von oben, vom Chef, vom Arbeitgeber, vom Bischof gewährte Freiheit kann wieder genommen werden, wenn man in Ungnade fällt. Die erkämpfte Freiheit bleibt.» An der Preisverleihung war Matthias Katsch anwesend, der sich damals als Opfer von sexuellen Übergriffen geoutet und das Gespräch mit Klaus Mertes aufgenommen hatte. «Für diesen mutigen Schritt hätte es auch Matthias Katsch verdient, heute den Herbert-Haag-Preis zu empfangen», betonte Mertes und bat Katsch, ebenfalls die Bühne zu betreten. Als Zeichen des Dankes kam es dabei zu einer spontanen Umarmung – das war ein starkes und emotionales Signal, denn: «Das haben wir bis dahin noch nie gemacht!», gab Klaus Mertes zu verstehen.
Preis für Freiheit in der Kirche
Der Preis für Freiheit in der Kirche wurde gestiftet von Herbert Haag (1915-2001), Professor für Altes Testament an der Universität Tübingen. Mit dem Preis werden Personen und Institutionen ausgezeichnet, die sich für Freiheit in der Kirche einsetzen. 2013 wurde der Preis an 46.000 US-amerikanische Nonnen und an die Führungscrew ihres Dachverbandes LCWR (Leadership Conference of Women Religious) vergeben.
http://www.kipa-apic.ch/index.php?&pw=&na=0,0,0,0,d&ki=252765
Zuletzt geändert am 18.03.2014