14.2.2016 - KNA
Bischof Kräutler über Alternativen zum zölibatären Priestertum
Würzburg (KNA) Der brasilianische Bischof Erwin Kräutler hat die Bischofskonferenzen dazu aufgerufen, über Alternativen zum zölibatär lebenden Priester zu diskutieren. "Jede und Jeder hat den Auftrag, nachzudenken", sagte Kräutler am Sonntag im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Rande der Eröffnung der Misereor-Fastenaktion in Würzburg. Franziskus selbst habe ihn aufgefordert, mutige Vorschläge zu machen. Der Papst werde zwar nicht in eigener Regie von heute auf morgen etwas ändern. "Aber die Bischofskonferenzen haben den Auftrag, darüber zu befinden, um dann konkrete Vorschläge zu machen."
Mit Blick auf sein Bistum Xingu im Amazonas-Gebiet sagte Kräutler, angesichts der geografischen Lage und der geringen Zahl von Priestern könnten 70 Prozent der Katholiken nur drei- bis viermal im Jahr eine Messe feiern, ansonsten Wortgottesdienste. Dabei sei die Eucharistie das Zentrum des katholischen Glaubens. "In erster Linie steht nicht der Zölibat zur Diskussion, sondern die von der sonntäglichen Eucharistiefeier ausgeschlossenen Gemeinden", sagte Kräutler. Dies sei zwar zunächst ein Problem in Amazonien, aber die Gemeindezusammenlegungen in Deutschland seien auch nicht unbedingt die Lösung.
Die mehrfach vorgeschlagene Beauftragung von katholischen Männern mit tadellosem Lebenswandel, sogenannte viri probati, ist für den aus Österreich stammenden Bischof eine problematische Alternative.
"Was macht denn einen Mann zum "vir probatus" und wer oder welches Forum befindet darüber, ob einem dieses Attribut zugesprochen werden kann oder nicht?" Er frage sich auch, ob alle zölibatär lebenden Priester tatsächlich viri probati seien. Zudem sei bei einer solchen Lösung von vornherein die Möglichkeit ausgeschlossen, dass eine Frau einer Eucharistiefeier vorstehen könne. Laut Kräutler gibt es eine Kommission der Bischofskonferenz in Brasilien, die dem Papst Vorschläge machen solle. Es gebe aber darüber hinaus viele, die nachdächten. "Papst Franziskus will das ja sogar wenn er sagt: Sean corajudos! – habt Mut!" Zugleich erinnerte der Bischof an das Apostolische Schreiben "Ordinatio sacerdotalis" von Papst Johannes Paul II. von 1994, demzufolge die Kirche keine Frauen zu Priestern weihen könne. "Dieses Wort hat sicher nachhaltige Wirkung, ist aber dennoch kein Glaubenssatz, kein Dogma."
Von Christian Wölfel (KNA)
Es geht ihm nicht um den Zölibat an sich. Dennoch stellt Bischof Erwin Kräutler die Pflicht zur Ehelosigkeit für Priester infrage. Denn zu viele Katholiken im Amazonasgebiet seien zu oft von der Kommunion ausgeschlossen.
Würzburg (KNA) Der aus Österreich stammende Bischof Erwin Kräutler (76) hat bis zur Annahme seines altersbedingten Rücktritts vor wenigen Wochen das flächenmäßig größte Bistümer in Brasilien: die Diözese Xingu. Im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) spricht er am Rande der Eröffnung der Misereor-Fastenaktion in Würzburg über die Probleme in der Seelsorge im Amazonasgebiet und darüber, warum es aus seiner Sicht notwendig ist, über Alternativen zum zölibatär lebenden Priester nachzudenken.
KNA: Bischof Kräutler, es heißt, Sie haben mit dem Papst über ein Ende des Zölibats gesprochen. Stimmt das?
Kräutler: Es geht eigentlich nicht um Zölibat ja oder nein. Es geht darum, dass wir in Amazonien Tausende von Gemeinden haben, oft weit entfernt voneinander und nur wenige Priester. Deshalb haben 70 Prozent der Gemeinden die Eucharistiefeier nur drei- bis viermal im Jahr. Den Rest der Zeit sind sie von dem, was Konzilsdokumente und Päpstliche Lehrschreiben "Zentrum unseres Glaubens" nennen, ausgeschlossen. Jesus hat aber am Abend vor seinem Leiden den Auftrag gegeben "Tut dies zu meinem Gedächtnis". Und Papst Johannes Paul II. erklärte in seiner Enzyklika "Dies Domini" ganz unmissverständlich: "Es ist tatsächlich von grundlegender Bedeutung, dass sich jeder Glaubende davon überzeugt, weder seinen Glauben leben noch am Leben der Gemeinschaft teilnehmen zu können, wenn er sich nicht vor allem durch die Teilnahme an der sonntäglichen Eucharistiefeier vom Wort Gottes und vom eucharistischen Brot nährt".
KNA: Was schließen Sie daraus?
Kräutler: Diese päpstliche Belehrung befindet sich schlicht und einfach jenseits der Realität der von der Eucharistie praktisch ausgeschlossenen Gemeinden in Amazonien. Wenn solche Aussagen eines päpstlichen Lehrschreibens und in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils tatsächlich ernst gekommen werden, dann kann die Kirche die Eucharistiefeier nicht davon abhängig machen, ob gerade ein zölibatärer Priester zur Verfügung steht oder nicht. Es müssen Wege gefunden werden, um die sonntägliche Eucharistiefeier in allen Gemeinden zu ermöglichen. In erster Linie steht nicht der Zölibat zur Diskussion, sondern die von der sonntäglichen Eucharistiefeier ausgeschlossenen Gemeinden!
KNA: Was sagt Papst Franziskus dazu?
Kräutler: Er hat mir gesagt: Die Bischöfe sollen konkrete, mutige Vorschläge machen. Wir sollen dabei "corajudos" sein, also "verwegen, mutig". Der Papst wird sicher nicht im Alleingang von heute auf morgen die Zugangsbedingungen zum priesterlichen Amt ändern. Aber die Bischofskonferenzen haben den Auftrag, darüber zu befinden, um dann konkrete Vorschläge zu machen. Ich kann das einfach nicht mit ansehen, dass unsere Christinnen und Christen, die jeden Sonntag zum Wortgottesdienst kommen, nicht die Möglichkeit haben, an der Eucharistiefeier teilzunehmen.
KNA: Gibt es diese Probleme auch in anderen Ländern?
Kräutler: Ich spreche erst einmal von Amazonien. Aber auch in Deutschland gibt es dieses Problem. Und genau deshalb wurden die Gemeindezusammenlegungen erfunden, die für mich nicht unbedingt eine Lösung sind. Es gibt verschiedene Thesen. Beispielsweise die des deutschen, schon emeritierten Bischofs von Aliwal in Südafrika, Fritz Lobinger. Aus seiner langjährigen Erfahrung mit "eucharistielosen Gemeinden" schlägt er ein "Team of Elders" vor, also etwa drei Personen, die beauftragt werden, am Sonntag der Eucharistiefeier vorzustehen und dazu die Ordination erhalten.
KNA: In Deutschland wird gerne von "viri probati" gesprochen, also katholischen Männern mit tadellosem Lebenswandel, die der Eucharistie vorstehen könnten.
Kräutler: Man spricht seit Jahrzehnten von den "viri probati" als ob das die Patentlösung wäre, um den Priestermangel zu beheben. Ich mag die Worte schon gar nicht mehr hören. Dieser Vorschlag greift entschieden zu kurz und ist dazu noch diskriminierend. Was macht denn einen Mann zum "vir probatus" und wer oder welches Forum befindet darüber, ob einem dieses Attribut zugesprochen werden kann oder nicht? Was sind die Erkennungszeichen eines "vir probatus"?
Wollen wir denn einen Klerus erster und zweiter Klasse? Auf der einen Seite der zölibatäre Klerus, auf der anderen Seite diese "viri probati", die dort, wo es an zölibatären Priestern fehlt, diese "ersetzen" und eventuell von Ort zu Ort geschickt werden, wo eben kein Priester im herkömmlichen Sinn mehr vorhanden ist. Und sind alle zölibatären Priester von vornherein viri probati? Mit einem solchen Lösungsvorschlag ist zudem a priori die Möglichkeit ausgeschlossen, dass eine Frau der Eucharistiefeier vorstehen kann.
KNA: Denken Sie nun im Auftrag des Papstes über konkrete Vorschläge nach?
Kräutler: Es gibt viele, die darüber nachdenken, manche sogar laut. Ich weiß, dass im Moment keine Änderung in Sicht ist. Papst Johannes Paul II. hat im Apostolischen Schreiben "Ordinatio sacerdotalis" erklärt, "dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben". Dieses Wort hat sicher nachhaltige Wirkung, ist aber dennoch kein Glaubenssatz, kein Dogma. Natürlich kann der jetzige Papst nicht einfach sagen, das interessiert mich nicht. Aber einen Nachdenkprozess gerade im Hinblick auf die eucharistielosen Gemeinden, die im Falle von Amazonien zum Großteil von Frauen geleitet werden, wird uns niemand verweigern können.
KNA: Aber es gibt den Auftrag, darüber nachzudenken?
Kräutler: Ja, jede und jeder hat den Auftrag nachzudenken. Die Bischofskonferenzen ganz besonders. Und Papst Franziskus will das ja sogar wenn er sagt: Sean corajudos! - Habt Mut! Die Brasilianische Bischofskonferenz hat eine Kommission ins Leben gerufen, die Vorschläge erarbeiten soll, die dann dem Papst unterbreitet werden.
KNA: Sie fahren am Montag zur Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz. Raten Sie da auch zu solchen Denkprozessen?
Kräutler: Da weiß ich schon, worüber ich reden soll: Es geht um REPAM, das Netzwerk, die panamerikanische Dachorganisation zur Evangelisierung. Ich bin in Brasilien deren Koordinator. Ich weiß nicht, ob es die Möglichkeit geben wird, über andere Themen zu sprechen und etwa auch die deutschen Bischöfe einzuladen, über die eucharistielosen Gemeinden nachzudenken und konkrete Lösungen vorzuschlagen.
Zuletzt geändert am 16.02.2016